Freizeit Freizeit: Den Wind um die Nase wehen lassen

Kiel/dpa. - So schön die Fahrt aufs Meer auch ist, spätestensan Land wird besonders älteren Segelsportlern allerdings deutlich,wie anstrengend ein Törn sein kann.
«Auf den ersten Blick erscheint der Segelsport sehr moderat: Dochdie motorischen Anforderungen sind teilweise sehr hoch», sagt Prof.Burkhard Weisser, Sportmediziner an der Universität Kiel. Diesbestätigt auch die Studie «Seniorensegeln» des Instituts fürBoots-Tourismus in Bonn. Bei einer Langzeitmessung derHerz-Kreislaufwerte von Fahrtenseglern im Seniorenalter wurdenSpitzenwerte von bis zu 135 Schlägen pro Minute gemessen.
«Zu den Spitzenbelastungen gehören das Manövrieren großer Booteunter Motor im Hafen oder in der Schleuse sowie die Arbeit mit Segel,Leinen und Schoten», erklärt Diplom-Ingenieur Wolf-Dieter Mell,Leiter der Studie. Wegen dieser Anstrengungen verabschiedeten sichviele ältere Segler ab 70 Jahren von ihrem Sport. «Dabei könntengesunde Senioren mit durchschnittlicher Fitness bis ins hohe Altersicher segeln.» So seien die Belastungswerte zwar ein Indiz fürkörperliche Anstrengungen, doch ähnlich hohe Werte wurden auch beiTätigkeiten wie Staubsaugen, Rad fahren und Walking gemessen.
«Die Grundlage für das Segeln liegt nicht im Alter, sondern in derkörperlichen Fitness», sagt Sportmediziner Weisser. Besonders fürSegler sei eine Kombination aus Kraft- und Ausdauertraining ratsam.«Rumpf, Rücken, Schulter- und Brustbereich sollten gezielt trainiertwerden.» Regelmäßiger Sport in Form von Fahrrad fahren, schwimmenoder spazieren gehen, erhöht die körperliche Leistungsfähigkeit undsenkt dauerhaft das Herzfrequenzniveau. «Allein die Muskelleistungkann durch systematisches Training um 20 bis 40 Prozent verbessertund damit auf das Niveau 20 bis 30 Jahre jüngerer, untrainierterPersonen gebracht werden», so Mell.
Doch nicht nur die Vorbereitungen, sondern auch das Segeln selbststärkt den Körper und fördert die Kondition. Die frische Luft und dieSonne wirken positiv auf das Immunsystem, der Körper wird abgehärtet,die gesamte Muskulatur ist in Bewegung. Segeln stärkt zudem denGleichgewichtssinns und verbessert die Koordination desBewegungsapparates. «Ein Gewinn, der sich auch im Alltag spürenlässt», so der Sportmediziner.
Dass Segeln auch im Alter nicht an Reiz verliert, erlebt WolfgangValentin, Leiter der Hanseatischen Yachtschule in Glücksburg: «UnsereSegelkurse für Senioren werden sehr gut besucht.» In der Gruppe undunter fachlicher Anleitung lernen Senioren Schritt für Schritt dieKunst des Segelns. Nautische Vorsicht ist dabei selbstverständlich:«Dank moderner Wetterdienste lassen sich sichere Voraussagen fürviele Stunden treffen», sagt Valentin.
«Wenn man die entsprechende Routine hat, dann ist Fahrtensegelnwie Auto fahren», sagt Diplom-Ingenieur Mell und verweist auf diehohe Anzahl 80-Jähriger, die sich noch problemlos mit ihrem Fahrzeugin den Straßenverkehr begeben.
Doch bevor der nächste Segeltörn geplant und angetreten wird,sollten Senioren auf Nummer sicher gehen und sich sportmedizinischuntersuchen lassen, rät Prof. Weisser: «Mehr als die Hälfte der über60-Jährigen ist von Bluthochdruck und Herzproblemen betroffen - oftohne es selbst zu bemerken.» Auch chronische Leiden amBewegungsapparat dürfen nicht auf die leichte Schulter genommenwerden: «Wer körperlich eingeschränkt ist, sollte die Führung einesSegelbootes lieber anderen überlassen.»
«Die häufigste Todesursache beim Segeln ist das Ertrinken», warntWeisser. Deshalb sollte an Bord immer eine Rettungsweste getragenwerden. Senioren sollten zudem darauf achten, einseitige körperlicheHaltungen zu vermeiden. So können Verspannungen und Zerrungen imBewegungsapparat vorgebeugt werden. Entlastung könnten hier auchtechnische Erweiterungen für Fahrtenboote bringen, sagt Mell.Nachgedacht werde derzeit über Elektrowinschen mit Hol- undFierfunktion und einem einhändig bedienbaren Steuerknüppel, mit demsich Bug- und Heckstrahlruder sowie die Hauptmaschine gleichzeitigbedienen lassen.