Ernährung Ernährung: Gute Fette, schlechte Fette
Halle (Saale)/MZ. - Es hört sich gut an: Pflanzensterine in der Margarine verdrängen das üble Cholesterin. Jenes sogenannte LDL-Cholesterin verstopft die Blutgefäße und führt zu Herzerkrankungen und Schlaganfällen. Doch jüngst sind die Pflanzenstoffe in der Margarine Becel pro.activ ein Fall für die Gerichte. Die klagende Verbraucherorganisation Foodwatch erklärt, dass Sterine möglicherweise "das verursachen, was sie eigentlich verhindern sollen: nämlich Ablagerungen in Gefäßen und ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten". Sprecher Oliver Huizinga fordert: "Wenn ein Stoff nicht nötig ist für den Körper, muss in der EU das Vorsorgeprinzip Vorrang haben". Konkret wendet sich Foodwatch gegen die Hersteller-Aussage, dass es "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen der Sterin-Margarine gebe.
Die Verbraucherschützer verweisen auf nach ihrer Sicht bedenkliche Studien. Der Leipziger Professor Daniel Teupser fand heraus, dass Menschen, die durch einen Gendefekt Sterine im Körper anreichern, "ein erhöhtes Risiko haben, einen Herzinfarkt zu erleiden". Wissenschaftler der Universität des Saarlandes fanden bei Mäusen, die mit Sterinen gefüttert wurden, starke Ablagerungen an den Gefäßwänden. Die Tiere erlitten verstärkt Schlaganfälle. In Folge untersuchten Ärzte 82 Patienten mit einer neuen Herzklappe. Darunter waren zehn, die sich mindestens zwei Jahre lang die Sterin-Margarine aufs Brot schmierten. Genau bei diesen zehn zeigten sich Ablagerungen in den Herzklappen. Die Experten waren davon ausgegangen, dass Sterine nur im Darm wirken und kaum ins Blut gelangen.
Rücksprache mit dem Arzt
Professor Eberhard Windler von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf kontert in einer Stellungnahme des Herstellers Unilever: "Seit Jahrzehnten weiß man, dass Pflanzensterine sich in Geweben und Blutgefäßen, also auch in arteriosklerotischen Plaques oder auch sklerotischen Herzklappen, genauso wie Cholesterin verteilen." Das Unternehmen erklärt weiter:"Die cholesterinsenkende Wirkung ist in über 40 Studien bewiesen, Risiken oder Nebenwirkungen sind nicht bekannt, das Produkt ist seit über elf Jahren auf dem Markt".
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sieht derzeit ebenso keinen Anlass zur Sorge. Man müsse die Sterine "nach der Studienlage insgesamt beurteilen", erklärte Sprecherin Isabelle Keller. Schließlich habe die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Margarine zugelassen. Das ist heute Pflicht, wenn dem Konsumenten eine gesundheitsfördernde Wirkung versprochen wird. "Die EFSA hat nach dem derzeitigen Stand bewertet", sagt Keller. Sollten allerdings neue Studien Bedenkliches ergeben, werde die EU-Behörde "vielleicht Korrekturen vornehmen".
Obwohl die umstrittene Margarine in jedem Supermarkt im Regal steht, betont Ernährungswissenschaftlerin Keller entschieden: "Pflanzensterine sind nicht für die breite Masse". Lediglich Menschen, die ihren Cholesterinspiegel senken müssen, sollten sie "nach Rücksprache mit ihrem Arzt und einer Umstellung der Ernährung und Lebensweise einnehmen". Es macht keinen Sinn, lediglich teure Margarine zu kaufen, jedoch weiterhin zu rauchen und als Bewegungsmuffel dem Alkohol und fettem Essen zu frönen.
Der Streit um die Sterine sorgt bei Verbrauchern für Verwirrung. Denn viele haben gelernt, dass Pflanzenstoffe "die Guten" sind. Fakt ist: "Die in die Kritik geratenen Sterine sind im eigentlichen Sinn keine Fette", klärt Keller auf. "Weil sie dem Cholesterin ähneln, konkurrieren sie bei der Aufnahme im Darm." Der Körper nimmt daher Sterine anstelle des Cholesterins auf. Doch es gibt durchaus die guten Pflanzenfette. Öle etwa aus Sonnenblumenkernen, Soja, Mais oder Oliven enthalten essenzielle Fettsäuren. Diese kann der Körper nicht selbst herstellen, daher nannte man sie früher Vitamin F. Heute tauchen sie unter den Begriffen Omega-3-Fettsäure oder Alpha-Linolensäure und Omega-6-Fettsäure oder Linolsäure auf. Sie liefern wichtige Bestandteile, die unser Körper und Stoffwechsel braucht.
Gute Omega-3-Fettsäuren
"Wir wissen zum Beispiel, dass die Omega-3-Fettsäuren eine positive Wirkung auf Fettstoffwechselstörungen haben und zu guten Blutfett-Werten führen", sagt Keller. Weil weniger LDL-Cholesterin im Blut zirkuliert, sinkt das Risiko für Bluthochdruck und Herzinfarkte. Immer mehr Studien ergeben, dass essenzielle Fettsäuren Schlaganfällen, Darm- und Brustkrebs vorbeugen. Tierische Fette scheinen hingegen das Gegenteil zu bewirken: "Insbesondere erhöhen sie das Risiko für Fettwechselstörungen", so Keller.
Pflanzen enthalten überwiegend ungesättigte Fettsäuren. In Fleisch, Wurst, Eiern, Butter aber auch Kokos- und Palmfett kommen dagegen gesättigte Fettsäuren vor. Diese sind mit mehr Wasserstoff-Atomen "gesättigt", so die Eselbrücke. Gemeinsam ist den gesättigten Fettsäuren, dass ihre Konsistenz fest und fettig ist. Ihr großer Nachteil: Sie sind träge, wenig reaktionsfreudig und wandern bevorzugt in die Fettdepots. Rotes Fleisch vom Rind, Schwein oder Lamm enthält höhere Mengen gesättigter Fettsäuren als Geflügel oder Fisch. "Ein bis zwei Mahlzeiten mit rotem Fleisch pro Woche schaden nicht. Man sollte aber darauf achten, dass das Essen möglichst viele ungesättigte Fettsäuren enthält", erläutert Ernährungsmediziner Dr. Thorsten Siegmund vom Klinikum München-Bogenhausen. Wichtige Quellen seien Oliven- oder Rapsöl, Nüsse und Fisch.
Man unterscheidet zwischen einfach ungesättigten Fettsäuren in Oliven- oder Erdnussöl, Nüssen und Avocado, zweifach ungesättigten Fettsäuren wie Linolsäure in Distel- oder Sonnenblumenöl und mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder Polyensäuren wie Leinöl oder Fischöle. Die zweifach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören zu den essenziellen Fettsäuren. Besonders wertvoll sind Lein-, Walnuss- und Rapsöl, die viel Omega-3-Fettsäuren enthalten. Von den Ernährungswissenschaftlern hochgelobte Öle finden sich auch in Seefischen wie Lachs, Hering, Thunfisch, Aal oder Makrele. Der Sättigungsgrad der Fettsäuren ist allerdings nicht das alleinige Qualitätsmerkmal. Olivenöl, das zum Beispiel "nur" einfach gesättigte Ölsäure enthält, verbessert auch die Blutfettwerte. Pflanzenöle und Nüsse enthalten stets weitere "Gesundmacher", die sekundären Pflanzenstoffe. Beispiele sind die Phenole, die vor Krebs schützen können. Andere Substanzen stärken Herz, Kreislauf und die Körperabwehr.
Entscheidend ist, wie das Öl aus den Früchten und Samen fließt. Kaltgepresstes Öl wird nur durch Pressen und Filtern gewonnen und ist besonders hochwertig. Wenn dagegen der Brei erwärmt wird, um mehr Öl zu gewinnen, werden viele Pflanzenstoffe zerstört. Bei sehr hohen Temperaturen wie beim Braten wandeln sich ungesättigte Fettsäuren sogar in ungesunde Verbindungen.