Einkauf Einkauf: An der Fleischtheke lauern gefährliche Keime
Halle/MZ. - Eine im Auftrag des Hygieneanbieters Ecolab vom Rheingold-Institut durchgeführte Studie zeigt: Immer mehr Kunden legen sehr großen Wert auf Hygiene im Supermarkt, und zwar ganz besonders an den Lebensmitteltheken. Sie möchten nicht nur sehen, dass alles augenscheinlich sauber ist, sie wollen auch die Anwendung von Vorsorgemaßnahmen, etwa die Nutzung von Hygienespendern, vor Ort live miterleben.
Ein begründetes Bedürfnis, sagt Karsten Fehlhaber, Direktor des Instituts für Lebensmittelhygiene und Verbraucherschutz an der Uni Leipzig. Denn mangelnde Hygiene beim Personal im Lebensmittelhandel stellt eine potenzielle Gefahr für den Verbraucher dar. "Lebensmittel sollten von Verkäufern generell nicht mit bloßen Händen angefasst werden", so der Experte. "Auf diesem Wege können Keime auf die Produkte übertragen werden, wo sie einige Tage überleben und sich unter Umständen vermehren können", erklärt er. "Kunden sollten Handhygiene daher ruhig einfordern", sagt Fehlhaber.
"Der gesteigerte Wunsch nach sichtbaren Hygienemaßnahmen hängt deutlich mit dem Auftreten der Schweinegrippe zusammen", sagt Thomas Kirschmeier vom Rheingold-Institut. Eine ähnliche Studie habe vor der Pandemie weniger dramatische Ergebnisse gebracht. Schweinegrippe ist laut Karsten Fehlhaber aber nicht die größte Gefahr, die in Supermärkten lauert. "Wir nehmen an, dass die Gefahr, sich durch Lebensmittel mit Schweinegrippe anzustecken, vergleichsweise sehr gering ist", sagt er. Eine Ansteckung durch Tröpfcheninfektion zwischen zwei Personen sei viel wahrscheinlicher. Vorsorgemaßnahmen im Lebensmittelhandel sind trotzdem angebracht.
H1N1, das Schweinegrippevirus, ist empfindlich gegen viruzide Desinfektionsmittel. Somit ließe sich eine Infektion auf diesem Wege durch ausreichende Hygiene leicht ganz ausschließen. Und auch wenn das Risiko einer Übertragung von H1N1 gering und die Zahl der Schweinegrippe-Infektion zurzeit rückläufig ist, bleibt Handhygiene im Lebensmittelbereich zu allen Zeiten ein wichtiges Thema.
Viel höher als das Risiko, sich über Lebensmittel mit der Schweinegrippe zu infizieren, ist laut Fehlhaber nämlich jenes, sich das widerstandsfähige und hochinfektiöse Norovirus einzufangen, das Durchfall und Erbrechen hervorruft und gerade jetzt in den Wintermonaten wieder im Umlauf ist. Risikoprodukte seien aber auch rohes Geflügel, das das Bakterium Campylobacter übertragen kann, und Eier, auf denen manchmal Salmonellen sitzen. Im Falle der Norovirus- und Campylobacter-Übertragung reichen bereits kleine Dosen, um eine Magen-Darm-Infektion hervorzurufen.
Verkäufer, aber auch die Verbraucher zu Hause, sollten sich deshalb nach Kontakt mit diesen Produkten die Hände waschen. Einweghandschuhe sowie eine Gabel zur Aufnahme der Ware bieten einen gewissen Schutz vor Keimübertragung. Ansonsten sollten die Hände regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden. Während es in produzierenden Betrieben jedoch eindeutige Hygienebestimmungen gibt, das Tragen von Handschuhen und Mundschutz meist Pflicht ist, sind die Bestimmungen in Supermärkten keineswegs so streng. "Umso wichtiger ist es, dass die Supermärkte ihr Verkaufspersonal richtig schulen", sagt Karsten Fehlhaber.
Übervorsichtig müssen Kunden dennoch nicht sein: "Nicht jede Übertragung von Keimen mit der Hand auf ein Lebensmittel führt gleich zu einer Infektion", erklärt Fehlhaber. Dafür sei die Keimzahl in der Regel zu gering. Eine Vermehrung der übertragenen Keime auf dem Produkt könne man meist mit der richtigen Lagerung verhindern.
Der Wunsch nach sichtbarer Hygiene beim Kunden ist laut Thomas Kirschmeier vor allem emotionaler Natur. "Für Verbraucher sind die Hygienebedingungen an Lebensmitteltheken von enorm großer Bedeutung - und das beeinflusst die Entscheidung, in welchem Supermarkt sie einkaufen", erklärt er.
Die Supermärkte reagieren bereits auf die Ansprüche ihrer Kunden. So gibt es in einigen Läden bereits Pandemie-Beauftragte, die darauf achten, dass sich die Verkäufer mindestens zweimal pro Stunde die Hände waschen und die Hygieneauflagen einhalten. Zusätzlich werden Personalschulungen angeboten.
"Wir haben schon vor Monaten einen Pandemierat eingerichtet, der sich im Unternehmen mit dem Thema Schweinegrippe und Schutzmaßnahmen beschäftigt", erklärt etwa Albrecht von Truchseß, Leiter Unternehmenskommunikation der real Warenhaus GmbH. Besonders zum Thema Handhygiene habe man die Mitarbeiter informiert und aufgefordert, sich vermehrt und ausgiebig die Hände zu reinigen. "Die Nase vorn haben hier die großen Markenketten", sagt Kirschmeier vom Rheingold-Institut. Zu groß sei dort die Angst, das Vertrauen der Kunden zu enttäuschen.