Die Seele aufhellen Die Seele aufhellen: Auch im Winter braucht der Körper genug Licht

Regensburg/Tübingen/dpa. - Die Schreibtischlampe ist auf Dauerbetrieb gestellt, die eigene Wohnung morgens wie abends in Dunkel getaucht. Im Winter bekommen viele Menschen kaum einen natürlichen Lichtstrahl zu Gesicht. Dabei scheint sich nicht nur der Himmel kaum noch aufzuhellen - auch die Stimmung wird von Tag zu Tag trüber. In extremen Fällen kann sich sogar eine saisonal abhängige Depression (SAD) entwickeln. Schuld daran ist die mangelnde Lichtzufuhr. Sie lässt sich auf Spaziergängen erhöhen - oder durch spezielle Lichttherapie-Geräte.
«Licht und vor allem Sonnenschein haben ganz verschiedene Wirkungen», erläutert Professor Jürgen Zulley von der Universität Regensburg. Auf der Haut erzeugen sie Wärme und sorgen damit für Wohlbefinden. Auch ein Sonnenbad am Strand bringe Entspannung. «Das Licht aber, das wir über das Auge aufnehmen, wirkt direkt auf unser Gehirn», sagt der Schlafmediziner. Dort setzt es die «Glückshormone» Serotonin und Noradrenalin frei und baut gleichzeitig den Müdemacher Melatonin ab.
«Der Lichtmangel im Winter führt bei fast allen Menschen zu einer Stimmungsdelle», hat auch der Psychologie-Professor Martin Hautzinger aus Tübingen beobachtet. Das trübe Wetter schlägt nicht nur aufs Gemüt. Viele Menschen haben ein größeres Schlafbedürfnis und ständig Hunger auf Süßigkeiten und Kohlenhydrate. Die dadurch verursachte Bildung von Serotonin ist jedoch den Experten zufolge nur von kurzer Dauer. «Blues oder Bliss, depressive Verstimmung oder Glückseligkeit - das kann manchmal eine Frage der Lux- und Wattzahl sein», so die Buchautorin Uschka Pittroff aus Hamburg.
Mindestens 2500 Lux braucht der Körper, um Melatonin abzubauen, in einem Büro herrschen im Winter oftmals nur 500 bis 600 Lux. «In den meisten Zimmern sitzen wir in der trüben Jahreszeit also im biologischen Dunkel», warnt Zulley. «Mehr Lux im Leben» lautet daher das einleuchtende Rezept.
Dabei kommt es vor allem auf die Qualität des Lichtes an, gibt Professor Hautzinger zu bedenken. «Da ist es nicht mit einem Besuch im Sonnenstudio getan.» Der tue zwar kurzer Zeit der Seele gut, weil der Körper erwärmt und die Haut im besten Fall gebräunt werde. Zum Gehirn gelangten die Strahlen jedoch nicht. Im Gegenteil: Die UV-Strahlen können Augen und Haut sogar schaden.
«Der einfachste und beste Weg ist, auch im Winter mindestens eine halbe Stunde am Tag spazieren zu gehen und dabei immer wieder direkt ins Licht zu gucken», sagt Hautzinger. In Räumen solle man für so viel Helligkeit wie möglich sorgen: Licht anschalten, Vorhänge aufziehen und nah am Fenster sitzen. «Ein Spaziergang in der Mittagspause ist 1000 Mal besser, als in der Kantine zu sitzen», lautet der Ratschlag des Tübinger Professors. Die positive Wirkung auf den Hormonhaushalt nehmen dabei viele gar nicht wahr.
Doch an trüben Wintertagen hat das Licht nur eine Intensität von 1500 Lux - zu wenig, um unsere Glückshormone anzukurbeln. Auch kann unser Körper das Licht nicht speichern. «Es ist also nicht möglich, bei einer zweistündigen Fahrradtour am Wochenende Licht für die ganze Woche zu tanken», gibt Professor Zulley zu bedenken.
Daher greifen immer mehr Menschen zu so genannten Lichttherapie-Geräten: Lampen, die eine Helligkeit von bis zu 10 000 Lux erzeugen. «Diese Geräte werden für die Behandlung der Winterdepression eingesetzt, können aber auch auf dem Büroschreibtisch für bessere Stimmung sorgen», erklärt Zulley. Die Lampen für den Hausgebrauch bestehen wie die professionellen Geräte aus mehreren Leuchtstoffröhren. Die UV-Strahlen werden wegen möglicher Risiken für Haut und Augen herausgefiltert.
«Beim Kauf sollte man darauf achten, dass die Mindesthelligkeit bei 2500 Lux liegt, besser darüber», empfiehlt Professor Zulley. Ebenso sollte geringe UV-Strahlung ein Kriterium sein. Ratsam ist, die Lampen im Geschäft zu testen, um mögliche Flimmerwerte auszuschließen. Ab etwa 250 Euro sind die Lichttherapie-Geräte im Handel zu kaufen. Die Stiftung Warentest in Berlin hat in ihrer Zeitschrift «test» (Ausgabe 11/2003) elf Geräte geprüft. Alle sind, teils eingeschränkt, für die Behandlung von Winterdepression geeignet, vier haben gute lichttechnische Eigenschaften.
«Da Licht allen Menschen gut tut, gibt es auch kaum Nebenwirkungen», sagt Professor Hautzinger. Wer Bedenken hat, sollte vor allem seine Augen kontrollieren lassen und den Hausarzt konsultieren. «Bei manchen treten auch leichte Hautirritationen auf», sagt der Psychologe. Auch wer photosensible Medikamente wie Johanniskraut einnimmt, sollte vor dem Gebrauch einen Arzt konsultieren. Auf jeden Fall seien die Herstellerhinweise zum Sicherheitsabstand und zur Dauer zu beachten.
Zur Dauer der Bestrahlungszeit lässt sich nur schwer eine Pauschalempfehlung abgeben. Für die Behandlung der Winterdepression setzen Experten die Geräte meist für 20 Minuten bis zu zwei Stunden ein. «Gesunde merken sehr schnell selbst, wie lange und zu welcher Tageszeit ihnen die zusätzliche Lichtdosis gut tut», sagt Zulley.
Wenn sich das allwinterliche Stimmungstief zu einer ernsten Depression mit Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen, extremen Schlafbedürfnis, übermäßiger Lustlosigkeit und Antriebsschwäche entwickelt, raten die Experten zum Arztbesuch. «Nur der kann herausfinden, ob es sich tatsächlich um die SAD handelt und die Lichttherapie geeignet ist», sagt Zulley.
Literatur: Jürgen Zulley/Anna Wirz-Justice, Lichttherapie, ISBN 3-89783-020-5, 14,90 Euro; Uschka Pittroff/Christina Niemann/Petra Regelin, Wellness. Die besten Ideen und Rezepte für die Wohlfühloase zu Hause, ISBN 3-7742-5568-7, 15,00 Euro.