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Das höchste Selbstmordrisiko tragen alte Männer

Von Sandra Trauner 05.09.2007, 10:16

Frankfurt/dpa. - Fachleute warnen vor zu großer Ängstlichkeit im Umgang mit selbstmordgefährdeten Menschen. «Keiner nimmt sich das Leben, weil er gefragt wird, ob er sich umbringen will», sagt Prof. Martin Teising anlässlich des Weltsuizidpräventionstags (10. September).

Ältere Männer sind in unserer Gesellschaft am meisten gefährdet, sich das Leben zu nehmen. Über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg bringen sich deutschlandweit jährlich 11 000 Menschen um. Bei Männern beträgt die Suizidrate 18,6 je 100 000. Mit höherem Lebensalter steigt diese Quote stark an: bei den Über-90-Jährigen auf 90 Selbstmorde pro 100 000 Männer, während es bei 30-Jährigen nur 20 sind. Bei Frauen steigt die Suizidrate im Alter weit weniger stark an.

Woran liegt das? «Suizidale Krisen werden durch Kränkungen ausgelöst, die das Selbstwertgefühl verletzen», sagt Psychiater Teising, der sich an der Fachhochschule Frankfurt mit dem Thema Selbsttötungen älterer Menschen beschäftigt. Alterstypische Kränkungen seien zum Beispiel das Gefühl, ausgeliefert oder ausgeschlossen zu sein. Das würden zwar auch alte Frauen empfinden, so Teising, aber Männer hätten «ein höheres Kränkungspotenzial» und seien darauf geeicht, «Konflikte heldenhaft und allein zu lösen», statt Hilfe zu suchen oder anzunehmen.

Um die Zahl der Suizide in Deutschland zu senken, bedarf es eines ganzen Bündels an Maßnahmen: «Höhere Zäune an Brücken reichen nicht», sagt Jochen Gensichen, der das Pilotprojekt PRoMPT leitet, an dem 72 Praxen und mehr als 500 Patienten im Rhein-Main-Gebiet teilgenommen haben. Das Projekt setzt an einer anderen Stelle an: Gefährdete Menschen werden beim Arzt gefragt, ob sie einverstanden sind, dass sie einmal monatlich angerufen werden. Bei den Telefonaten füllt eine Arzthelferin einen Fragebogen aus, mit dessen Hilfe der Arzt einen Eindruck bekommt, wie der Patient sich aktuell fühlt. Er kann dann notfalls Hilfe vermitteln.

Die wichtigste Empfehlung der Experten aber lautet, psychische Krankheiten zu behandeln. «Bei 90 Prozent der Suizidopfern spielen psychische Erkrankungen eine Rolle», sagte Barbara Schneider, die sich an der Klinik für Psychiatrie der Universität Frankfurt mit dem Thema beschäftigt. Zu den größten Risikofaktoren gehören Depressionen und Alkoholabhängigkeit, aber auch Schizophrenie. «Wenn diese drei Erkrankungen ausreichend behandelt würde, könnte man laut WHO die Suizidrate weltweit um 20 Prozent senken», sagt Schneider. Dass die Suizidrate in Deutschland fällt, hält Schneider für eine Folge der besseren Versorgung psychisch Kranker.

Die meisten Suizide und Suizidversuche entstünden «aus einer schweren seelischen Krise heraus», sagt Prof. Johannes Pantel, stellvertretender Direktor der Frankfurter Psychiatrie. Als Risikofaktoren nennt er Krankheit, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit und krisenhafte Erlebnisse. Aber wieso sind manche Menschen gefeit gegen suizidale Gedanken? Pantel nennt als wichtigste Schutzfaktoren eine stabile Persönlichkeit und viele soziale Kontakte. Gibt es dieses Umfeld, könne viel aufgefangen werden. «In den meisten Fällen können Hilfsangebote wirklich etwas bewirken.»