1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Computerspiel-Studie: Computerspiel-Studie: Jeder zwölfte Junge in Deutschland ist süchtig

Computerspiel-Studie Computerspiel-Studie: Jeder zwölfte Junge in Deutschland ist süchtig

Von Melanie Reinsch 01.12.2016, 14:59
Jeder zwölfte Junge oder junge Mann ist computerspielsüchtig.
Jeder zwölfte Junge oder junge Mann ist computerspielsüchtig. dpa

Berlin - Vor genau 20 Jahren berichtete die New York Times über einen 17-Jährigen, der in Texas in eine Drogen- und Alkoholentzugsklinik eingeliefert wurde. Er zitterte am ganzen Körper,  litt an Krämpfen und schleuderte Stühle und Tische durch das Krankenhaus. Ein Kokainsüchtiger? Ein Heroinabhängiger auf Entzug?, fragte das Blatt. Nein. Der junge Mann war wohl einer der ersten offiziellen Internetsüchtigen.

Inzwischen sind laut einer Studie aus dem Jahr 2011 mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland zwischen 14 und 64 Jahren (rund ein Prozent) internetabhängig.

Und jeder zwölfte Junge oder junge Mann ist computerspielsüchtig, eine besondere Form der Internetsucht. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue repräsentative Studie von DAK-Gesundheit und vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen. Danach erfüllen 8,4 Prozent der männlichen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 12 und 25 Jahren die Voraussetzungen für diese Abhängigkeit. Bei den Mädchen und jungen Frauen sind es deutlich weniger: 2,9 Prozent.

Unkontrollierbarer Konsum

Die Studienleiter befragten im September 1531 Jugendliche und konfrontierten sie mit neun Fragen. Wer mindestens fünf Fragen mit Ja beantworten konnte, gilt danach als süchtig. „Hast Du im vergangenen Jahr ernsthafte Probleme mit der Familie, Freunden oder dem Partner durch das Spielen gehabt?“, hieß es da zum Beispiel. Oder: „Hast Du Dich schon mal unglücklich gefühlt, weil Du nicht spielen konntest?“

Diese Zahlen seien beunruhigend und zeigten, dass man das Thema ernst nehmen müsse, sagte Marlene Mortler, Drogenbeauftragte des Bundes, am Donnerstag in Berlin. „Computerspiele sind heute Bestandteil der Alltagskultur vieler Jugendlicher und junger Erwachsener  und längst nicht jede und jeder hat ein Problem.“  Doch vor allem zeige die Studie, dass gerade bei den 12- bis 17-Jährigen die Gefahr bestehe, dass sie ihren Konsum nicht mehr kontrollieren könnten, erklärte Mortler. Internetsucht sei kein Rand-,  sondern ein Massenphänomen.

Drei Stunden pro Tag

46 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre sozialen Kontakte vernachlässigten, in der Gruppe der 15- bis 17-jährigen Jungen waren es mit 69 Prozent am meisten.  40 Prozent der Studienteilnehmer bestätigten, dass sie wegen des Spielens am Computer Streit mit ihren Eltern haben. Am häufigsten passiert das in der Gruppe der 12- bis 14-jährigen Jungen (89 Prozent).  Auch das Familienleben leidet darunter:  16 Prozent der Jungen und Mädchen nehmen wegen der Computerspielerei nicht an gemeinsamen Mahlzeiten ein, bei den 15-  bis 17-jährigen Jungen sind es sogar 34 Prozent.

Auch die Stundenzahl, die die Befragten beim Spielen am Computer, Smartphone, Tablet oder an der Konsole verbringen, ist alarmierend: Am Wochenende spielen männliche Kinder und Jugendliche fast drei Stunden pro Tag, unter der Woche sind es mehr als zwei Stunden. Minecraft, FIFA und League of Legends stehen dabei hoch im Kurs.

Mädchen und junge Frauen spielen am Wochenende dagegen etwas mehr als zwei Stunden, an Werktagen rund 1,5. Sie verbringen ihre Zeit am liebsten mit Die Sims, Candy Crush Saga und Pokémon Go.

Erst die Bauklötze, dann das Tablet

„Kinder und Jugendliche bedürfen eines besonderen Schutzes vor einer unkontrollierten und exzessiven Nutzung von Computerspielen“, sagte Rainer Thomasius, Suchtexperte vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, wo jedes Jahr rund 400 Menschen mit Computerspielsucht behandelt werden. Bei der Altersbewertung von Onlinespielen müssten Kriterien für Spiele, die eine hohe Spielbindung und ein definiertes Suchtpotential erwarten ließen, berücksichtigt werden. Eine Altersfreigabe ab null  Jahren müsse sehr kritisch gesehen werden, betonte Thomasius. Freigaben dürften frühestens ab drei Jahren erfolgen.

Das sieht auch die Bundesdrogenbeauftragte so. „Kleine Kinder brauchen keine digitalen Angebote, die virtuelle Welt kann warten. Erst die Bauklötze, dann das Tablet“, sagte Mortler. Sie appellierte aber auch an die Eltern, denen eine „Schlüsselrolle“ zukomme.  70 Prozent seien „orientierungslos“, was den Onlinekonsum ihrer Kinder angehe.