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Charité Charité: Klinik vergeht die neue Lust

Von KAI KUPFERSCHMIDT 27.03.2009, 18:12

Halle/MZ. - Der Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin, Schröders Doktorvater Holger Kiesewetter, ist zu keiner Auskunft mehr bereit.

Was nämlich kürzlich noch als große Sensation verkündet wurde, hält einer wissenschaftlichen Begutachtung kaum stand. Das Mittel "Plantagrar" steigere die Potenz wirksamer als die bekannten blauen Viagra-Pillen der Firma Pfizer, hatte Schröder behauptet - und sei dabei rein pflanzlich. Belege gibt es dafür bis heute keine, außer den Aussagen der Forscher. Die Zahl der Probanden sei viel zu niedrig, der Vergleich mit Viagra nicht ernst zu nehmen, sagen Kritiker.

"Bei dieser Untersuchung handelt es sich um die Aktivität eines einzelnen Mitarbeiters der Charité in eigener Verantwortung", hieß es in einer Pressemitteilung, in der sich auch die Klinik schließlich distanzierte. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Schon 2007 druckte der "Berliner Kurier" einen Probandenaufruf der Charité: "Die Charité Berlin sucht Potenzmittel-Tester. Die natürlichen Mittel sollen an Probanden getestet werden, die seit mindestens einem halben Jahr Viagra nehmen." Darunter standen E-Mail und Telefonnummer des Doktoranden Olaf Schröder. Und auch in einem Newsletter der Charité vom 11. Februar dieses Jahres wird die Forschung an dem Bio-Potenzmittel erwähnt und Olaf Schröder als Kontakt angegeben.

In einer neuen Stellungnahme teilt die Charité inzwischen mit, der Ombudsmann für gute wissenschaftliche Praxis sei beauftragt, die Angelegenheit zu untersuchen. Der Vorstandsvorsitzende Karl Max Einhäupl kritisiert vor allem,

dass Schröder erste Prognosen zur Wirksamkeit gemacht habe, ein Produkt und eine Firma genannt habe. "Dieses Vorgehen ist höchst unprofessionell und kann so nicht geduldet werden." Auch die Innenrevision solle den Vorgang untersuchen und insbesondere sicherstellen, "dass wirtschaftliche Interessenkonflikte offen gelegt wurden und keinen Einfluss auf die Studie genommen haben".

Dass es um Geld gehen könnte, liegt nahe. Immerhin hat der US-Pharmakonzern Pfizer allein 2007 1,9 Milliarden Euro Umsatz gemacht mit den kleinen blauen Rauten. Tatsächlich gibt es eine Reihe personeller Verbindungen. Als Geschäftsführer der Firma Caplab, die die pflanzliche Potenzpille schon 2010 auf den Markt bringen will, firmieren abwechselnd Reinhard Latza und Elvira Kunz. Beide sind mit dem Institut für Transfusionsmedizin bestens vertraut, denn sie arbeiten dort. Latza hat sich im Jahr 2006 an diesem Institut habilitiert. Auf der Internetseite wird er als externer Dozent geführt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Institutsleiter Kiesewetter - der Doktorvater - in den Medien ist. 1999 präsentierte er eine Studie, die zeigen sollte, dass Knoblauchpräparate gegen Gefäßverkalkung helfen. Die Studie wurde von Wissenschaftlern kritisiert. Sie zeigte Fehler in der statistischen Analyse auf, die korrigiert werden mussten.

Auch ein Mittel gegen Viren testete Kiesewetter. Die Firma Naturprodukte Dr. Pandalis vertreibt das Medizinprodukt inzwischen. Bis vor kurzem war Kiesewetter für die Firma als wissenschaftlicher Berater tätig. "Das Institut für Transfusionsmedizin gibt etwa alle zwei bis drei Jahre eine derartige Meldung heraus. Da frage ich mich doch, was das mit Transfusionsmedizin zu tun hat", sagt Christian Steffen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Auch der Pharmakologe Fritz Sörgel, Direktor des Nürnberger Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung, wundert sich, dass ein Institut für Transfusionsmedizin mit solchen Meldungen vorprescht. "Wenn ich plötzlich Transfusionsmedizin machen würde, würden Sie mich auch zu Recht fragen, wo denn meine Kompetenz ist." Was passieren muss, ist für Sörgel klar: Der Fall müsse detailliert aufgearbeitet und die Verknüpfungen, die mit Firmen existieren, offen gelegt werden. "Die Charité hat schließlich einen Ruf zu verlieren."