1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Cannabis aus der Apotheke: Cannabis aus der Apotheke: Wer hat eigentlich Anspruch und was muss er dafür tun?

Cannabis aus der Apotheke Cannabis aus der Apotheke: Wer hat eigentlich Anspruch und was muss er dafür tun?

Von Sarah Peters und Basil Wegener 08.02.2017, 11:00
Cannabis ist  für schwerstkranke  Patienten mit einem  speziellen Betäubungsmittel-Rezept  in der Apotheke erhältlich.
Cannabis ist  für schwerstkranke  Patienten mit einem  speziellen Betäubungsmittel-Rezept  in der Apotheke erhältlich. dpa

Halle (Saale) - Marihuana ist eine in Deutschland illegale Droge und gleichzeitig ein Heilmittel. Wer die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabispflanze konsumiert, kann unter Übelkeit, Erbrechen und im schlimmsten Fall Psychosen leiden. Andererseits gibt es aber zahlreiche Beispiele, die belegen, dass THC, der Wirkstoff von Marihuana, die gesundheitlichen Beschwerden schwerkranker Patienten zu lindern vermag.

Allerdings: Nicht allen Patienten hilft Cannabis. „Cannabis ist kein Wundermedikament“, sagt Psychiaterin Kirsten Müller-Vahl. Sie forscht an der Medizinischen Hochschule Hannover zum Thema. Einigen Menschen helfe es nicht, sie berichteten von Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Trotzdem verabschiedete der Bundestag im Januar einstimmig einen Gesetzentwurf zur medizinischen Verwendung von Cannabis in begründeten Einzelfällen. Ab März 2017 soll dieses in Kraft treten. „Cannabis auf Rezept“ jubeln jetzt viele. Doch was heißt das eigentlich genau? Die Mitteldeutsche Zeitung beantwortet nahe liegende Fragen.

Kann jetzt jeder Cannabis auf Rezept bekommen?

Nein, nur Schwerkranke. Aber eine exakte Definition der Krankheitsbilder gibt es im Gesetz nicht. Cannabis kann etwa helfen gegen Spastiken bei Multipler Sklerose, gegen chronische Schmerzen bei Neuropathie, Rheuma oder Krebs. Wirksam ist es auch bei Appetitlosigkeit aufgrund einer HIV-Infektion, Krebs oder Alzheimer, bei Übelkeit infolge von Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom, einer Nervenkrankheit.

Wie kommen Patienten an das Hanf-Präparat?

Ein Arzt kann es auf Kosten der Krankenkassen verschreiben, wenn eine - laut Gesetz - „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf eine positive Wirkung besteht. Er muss - anders als ursprünglich vorgesehen - zuvor nicht alles andere probiert haben. Der Medizinische Dienst der Kassen muss die Therapie genehmigen. Je nach Fall hat er dafür zwischen drei Tagen und drei Wochen Zeit. Die Patienten müssen - anonym - ihre Therapiedaten zur weiteren Erforschung der Cannabiswirkung zur Verfügung stellen. Das Ziel ist, mehr Erfahrungen zu sammeln.

Was galt bei der bisherigen Regelung ?

Bereits 1.020 Patienten haben vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Sondergenehmigung für Cannabis. Bislang mussten sie die Kosten aber selbst tragen. Zwei Patienten wurde zudem die Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis erteilt.

In Deutschland ist Sativex das einzige zugelassene Präparat auf Cannabis-Basis. Sativex ist ein Spray, das unter die Zunge gesprüht wird. Wirkstoffe sind THC und CBD. Eingesetzt wird es zur Behandlung von Spasmen bei Multipler Sklerose und Schmerzen bei einer Krebserkrankung.

Dürfen Patienten künftig Hanf etwa auf dem Balkon anbauen?

Nein. Den Anbau soll eine beim BfArM angesiedelte Cannabis-Agentur regeln, sie soll Cannabis kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Zuerst wird auf Importe zurückgegriffen. Ein BfArM-Sprecher sagte aber, die Einrichtung der Agentur werde schon vorbereitet. „Ziel ist es, dass die Agentur ohne Verzögerung ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn das Gesetz in Kraft tritt.“ Das soll im März sein. Das bedeutet: Der Eigenanbau – auch zu medizinischen Zwecken – bleibt verboten. Die einzigen Ausnahmen bilden Einzelfallentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes.

Birgt Cannabis auch Risiken für die Patienten?

Wird Hanf nun massenhaft verbreitet?

Nein, Mediziner schätzen, dass die Patientenzahlen zwar nach oben gehen werden, aber es im Ganzen eher Einzelfälle bleiben. Am Verbot von Hanf als Rauschmittel für den Freizeitkonsum rüttelt der Gesetzgeber nicht.

In welcher Form bekommen Patienten Cannabis?

Als getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakt. Öl aus Hanfpflanzen kann über eine Vorrichtung inhaliert werden. Mediziner berichten, dass manche Patienten angeben, Cannabis helfe ihnen am besten, wenn sie es rauchen. Bereits auf Rezept verfügbar sind Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis.

Birgt Cannabis auch Risiken für die Patienten?

Nein, genauso wenig wie herkömmliche Therapien. Es kann aber abhängig machen, in seltenen Fällen zu einer Psychose führen. Außerdem können trockener Mund, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit auftreten. Vieles über die medizinischen Wirkungen ist noch nicht erforscht.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In vielen Ländern wie den USA oder Israel ist Cannabis als Medizin schon etabliert. Es wird zur Linderung der Nebenwirkungen von Chemotherapien, zur Appetitsteigerung bei HIV/Aids oder bei chronischen Schmerzen eingesetzt.  (mz)

Ab März  sind auf Rezept auch Cannabis-Blüten  in der Apotheke erhältlich.
Ab März  sind auf Rezept auch Cannabis-Blüten  in der Apotheke erhältlich.
dpa/Archiv