Arztbesuch als Luxus? Viele sind ohne Krankenversicherung
Hamburg/dpa. - «Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt es deutlich. 2003 waren 188 000 Menschen nicht abgesichert. 2005 waren es mehr als 300 000 Menschen. Und heute schätzen wir die Zahl auf über 400 000 Nichtversicherte», sagte Claudia Kaminski vom Malteser Hilfsdienst in Köln.
Der Hamburger Friedrich, 28 Jahre alt und Schwarzarbeiter, ist einer von ihnen. Seit zwei Jahren hat er keinen Gesundheitsschutz mehr. «Mir geht es gut und ich bin zum Glück nie krank», sagt er. Doch seit dem 1. April diesen Jahres ist gesetzlich verpflichtet, sich zu versichern. Aber daran denkt der junge Mann nicht: «Früher habe ich 150 Euro im Monat bezahlt und bin nie zum Arzt gegangen. Und als ich dann keine Kohle mehr hatte, bin ich rausgeflogen.»
Der Verlust der Krankenversicherung ist ein bekanntes Problem, doch mit seiner Einstellung kann es teuer für den 28-jährigen Hamburger werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen empfiehlt allen, die als letztes in einer gesetzlichen Krankenkasse waren, sich so schnell wie möglich dort wieder zu melden. Ansonsten drohten Sanktionen.
Davor hat der 28-jährige keine Angst: «Ich habe jetzt kein Geld und werde auch dann keines haben.» Für Medikamente kenne er jemanden in einer Apotheke und wenn es nicht anders ginge, bezahle er den Arzt, zu dem er geht, mit Bargeld. Babara Heidenreich von der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg meint: «Diese Beziehungen sind typisch für die Nichtversicherten. Ohne diese Netzwerke und die ehrenamtlichen Helfer, sind alle Nichtversicherten ziemlich aufgeschmissen.»
Der Malteser Hilfsdienst hat 2001 ein Projekt mit dem Namen «Malteser Migranten Medizin» ins Leben gerufen. Diese Anlaufstellen behandeln und beraten alle, die keinen Krankenschutz haben. Ursprünglich war der Dienst für illegale Einwanderer in Deutschland gedacht. «Illegale Migranten haben es besonders schwer. Sie können sich nicht, wie jeder Deutsche, bei einem Amt melden», sagt Kaminski. Für das nächste Jahr plant die Organisation, ihr Projekt von sechs auf insgesamt acht Städte auszuweiten.
In den Notfallaufnahmen der Hamburger Krankenhäuser sind Nichtversicherte ebenfalls keine Seltenheit. «Jeden Tag behandeln wir Menschen, die nicht versichert sind. Immer sind es Notfälle! Die meisten hätten jedoch im Vorfeld vermieden werden können», meint eine Krankenschwester der Notfallaufnahme des Hamburger Krankenhauses «Alten Eichen».
Fabian Peterson von der Hamburgischen Krankenhaus Gesellschaft meint: «Die Hamburger Krankenhäuser verlieren 2,3 Millionen Euro im Jahr durch falsche Angaben von Nichtversicherten.» Eine veraltete Krankenkassenkarte oder die Angabe von einer Privatkasse reichten aus, um die Kosten für eine Behandlung zu prellen. Inzwischen gebe es aber Hotlines der privaten Krankenkassen. Damit könne schnell überprüft werden, ob die Informationen der Wahrheit entsprächen. Peterson meint aber: «Notfälle werden weiterhin versorgt, egal ob jemand versichert ist oder nicht.»
Als Hartz-IV-Empfänger ist jeder über die Bundesagentur für Arbeit pflichtversichert. Friedrich will aber nicht vom Staat leben, sondern lieber für sich selbst sorgen. Deshalb meldet er sich nicht beim Amt. So wie der junge Mann haben auch andere ihre Gründe, warum sie keine Hilfe beantragen. Stolz, Angst und Scham sind nur einige. Ohne eine Krankenversicherung ist eine rechtzeitige Behandlung oft nicht möglich. Wenn das Geld für die Versicherung nicht vorhanden ist, dann ist auch kein Geld für einen Arzt da. «Für uns», sagt Friedrich, «ist der Arztbesuch ein echter Luxus».