Angst vorm Fuchsbandwurm
Halle/MZ. - Es ist für keinen einzigen Patienten erwiesen, dass er sich so angesteckt hat", sagt Molekularbiologe Klaus Brehm von der Universität Würzburg. Heidelbeeren aus dem Wald könnten nach dem Waschen bedenkenlos gegessen werden. Auch bei Bärlauch bestünde keine Gefahr. Allenfalls bei Erdbeeren, die häufig Kontakt mit dem Boden haben, kann sich der Forscher ein minimales Infektionsrisiko vorstellen.
Viel gefährlicher als die Nahrung aus dem Wald sei der Kontakt mit infizierten Tieren: Einige Jäger hätten sich beispielsweise die Erkrankung beim Abziehen des Fells der Füchse zugezogen. Aber auch Hunde können den Parasiten übertragen. Die Eier haften in ihrem Fell und heften sich beim Streicheln an die Hände. Von dort ist der Weg in den Magen nicht mehr weit.
Nur wenn die Eier über den Mund aufgenommen werden, kann der Wurm sich ausbreiten. "Vorsichtshalber sollte man den Hund in den betroffenen Gebieten alle sechs Wochen entwurmen. Vor allem dann, wenn er Mäuse frisst", rät Brehm. Mäuse dienen dem Fuchsbandwurm als Zwischenwirt und gelten deshalb als mögliche Quelle der Ansteckung für die Haustiere.
Das Europäische Echinokokkose-Register der Uni Ulm dokumentiert Fuchsbandwurmerkrankungen. Es berichtet, dass die meisten Erkrankten einen Hund besitzen und sich vermutlich bei diesem infiziert haben. Deshalb sollten Hundehalter lieber einmal mehr die Hände waschen, um eventuell anhaftende Bandwurmeier abzuspülen.
Insgesamt ist die Fuchsbandwurmerkrankung allerdings äußerst selten. Jedes Jahr stecken sich etwa 20 bis 30 Menschen in Deutschland neu an. Die Zahlen steigen indes leicht, da sich die Füchse ausbreiten. Sie dringen aus den ländlichen Regionen immer weiter in die Städte vor. Hochburgen des Fuchsbandwurmes liegen derzeit in Süddeutschland, auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg und im Allgäu.
Viele Menschen bekommen nie den Fuchsbandwurm, obwohl sie offenbar die Eier aufgenommen haben. Als Erklärung führen die Experten beim Europäischen Echinokokkose-Register an, dass große Teile der Bevölkerung gegen den Parasiten resistent sind: In Blutproben finden sich Antikörper gegen den Erreger, obwohl der Betroffene nie erkrankt ist. Nur 20 Prozent der Menschen, die Fuchsbandwurmeier geschluckt haben, bekommen auch Beschwerden. Brehm vermutet, dass eine sehr große Zahl an Eiern aufgenommen werden muss, damit die Erkrankung überhaupt ausbricht.
Dann schlüpfen die Larven im Darm und wachsen anschließend in der Leber zu Zysten heran. Dieser Vorgang wird von unspezifischen Bauchschmerzen begleitet, die bei vielen Betroffenen keinen Verdacht wecken. "Oft vergehen fünf bis zehn Jahre, bis der Patient die Erkrankung bemerkt", schildert Brehm. Die meisten Fälle werden bei Routineuntersuchungen aufgedeckt, wenn der Arzt die Zysten in der Leber im Ultraschallbild sieht.
Der Parasit breitet sich langsam, aber beständig aus. Wenn die Zysten sich ausdehnen, können sie Blutgefäße in der Leber abdrücken. Wird der Gallenkanal eingezwängt, kann das Organ nicht mehr normal arbeiten. Eine Gelbsucht entsteht. Vermehren sich die Larven weiter, versagt schließlich die Leber und der Erkrankte stirbt. Wird die Infektion frühzeitig erkannt, stehen die Chancen jedoch gut, die Erkrankung durchzustehen.
Wenn sich wirklich ein Infektionsherd in der Leber bildet, kann dieser mit einer Chemotherapie bekämpft werden. "Im frühen Stadium kann man es schaffen, den Parasiten loszuwerden", meint Brehm. Die Zysten in einer Operation herauszuschneiden, gelingt nur, wenn der Bandwurm rechtzeitig entdeckt wird - derzeit etwa bei 18 Prozent der Fälle. Bei den übrigen Patienten sind die Zysten zu ausladend und nicht mehr chirurgisch entfernbar. "In diesen Fällen bleibt nur noch die Chemotherapie, die jedoch den Parasiten nicht abtötet, sondern nur seine weitere Ausbreitung verhindert", macht Klaus Brehm klar.