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Alltag mit Allergien Alltag mit Allergien: Wenn selbst Küsse gefährlich werden

Von Manja Greß 04.02.2004, 18:35
Beim Einkauf nicht daneben greifen: Vor allem Lebensmittelallergiker müssen auf die Inhaltstoffe von Fertigprodukten achten. (Foto: dpa)
Beim Einkauf nicht daneben greifen: Vor allem Lebensmittelallergiker müssen auf die Inhaltstoffe von Fertigprodukten achten. (Foto: dpa) DAK/Wigger

Marburg/Hamburg/dpa. - Geschwollene Augen nach dem Nusskuchen, Gaumenjucken nach der Curry-Suppe: Viele Menschen müssen bei jeder Mahlzeit aufpassen. Bundesweit leiden etwa drei Millionen Betroffene an einer Lebensmittelallergie. Während manche nur gegen Äpfel und Nüsse allergisch sind, haben andere auch bei Milchprodukten, Eiern oder Hefe Probleme.

«Bei Betroffenen äußert sich diese Erkrankung durch unterschiedliche Symptome», sagt Ingolf Dürr vom Deutschen Grünen Kreuz in Marburg. «Die einen bekommen Hautausschlag oder Rötungen, andere leiden unter Atemnot, Übelkeit oder Erbrechen.» Auch plötzliche Müdigkeit, Schwäche und Migräne können Reaktionen des Körpers auf bestimmte Nahrungsmittel sein.

«Dass unser Körper auf Fremdstoffe reagiert, ist dabei ganz normal», erläutert der Experte. «Das Immunsystem des Menschen muss diese fremden Stoffe, die in den Körper eindringen, neutralisieren. Bei Allergikern jedoch reagiert es sehr stark.» Dadurch treten dann die unterschiedlichsten Symptome auf. Neben ganzen Nahrungsmitteln, die allergische Reaktionen verursachen, sind oft auch deren einzelne natürliche und künstliche Bestandteile Allergieauslöser.

Mediziner unterscheiden allerdings unter dem Oberbegriff Nahrungsmittel-Unverträglichkeit zwischen einer «echten» Allergie und der weniger gefährlichen Intoleranz etwa durch Nahrungsmittelzusätze, auch «Pseudo-Allergie» genannt. «Der Gang zum Arzt bringt Betroffenen Klarheit», sagt die Ärztin und Fernsehmoderatorin Susanne Holst aus Hamburg. «Um dem Arzt die Diagnose zu erleichtern, sollten Patienten vorher ein bis zwei Wochen genau Buch über ihre Essgewohnheiten führen», erläutert die Buchautorin. «Was nehme ich zu mir? Welche Reaktionen treten auf? Ein solches Protokoll kann dem Mediziner bei seiner Suche nach den Auslösern helfen, die oft die reinste Detektivarbeit ist.»

Als erstes informiert sich der Arzt über die Krankengeschichte seines Patienten. «Danach macht er Hauttests, bei denen Lösungen mit bestimmten Nahrungsbestandteilen auf die Haut geträufelt oder injiziert werden», erklärt Holst. An den Reaktionen kann abgelesen werden, ob und auf was der Betroffene allergisch ist. «Mit einer speziellen Blutuntersuchung ist es auch möglich, Antikörper direkt nachzuweisen», sagt die Medizinerin.

Über einen Ausschluss- und Provokationstest kann der Behandler den «Störenfried» genauer identifizieren. Holst: «Dabei ernährt sich der Patient eine Woche lang allergenarm mit einer Wasser-Reis-Kartoffel-Diät.» Vorher müsse natürlich eine Allergie gegen Reis und Kartoffeln ausgeschlossen werden können. «Gehen die Beschwerden zurück, werden schrittweise einzelne Nahrungsmittel hinzugefügt, bis die Symptome wieder auftreten.» Dieses Verfahren ist laut Holst sehr aufwendig und funktioniere nur in enger Zusammenarbeit zwischen Patient, Allergologen und einer Ernährungsfachkraft.

Wer unter einer Lebensmittelallergie leidet, kann selbst einiges tun, um trotzdem einen erträglichen Alltag haben zu können. Dafür ist es notwendig, beim Einkauf die Zutatenliste der Produkte genau unter die Lupe zu nehmen. «Für die Hersteller von Nahrungs- und Genussmitteln gibt es bestimmte Richtlinien, die sich mit der Kennzeichnung ihrer Waren befassen», sagt Gundula Thomas vom Sächsischen Sozialministerium in Dresden. «Danach müssen alle Stoffe, die eine Allergie hervorrufen können, auf der Verpackung vermerkt werden. Egal, wie viel davon drin ist», erläutert Thomas. «Wenn in einem Produkt zum Beispiel nur kleinste Mengen von Nüssen verarbeitet wurden, muss das auf der Verpackung vermerkt werden.»

Susanne Holst empfiehlt allen Betroffenen, so viel wie möglich selbst zu kochen und auf Fertiggerichte zu verzichten. So können Allergene gezielt vermieden werden. «Einige Nahrungsmittel verlieren durch Kochen oder Braten ihre allergene Potenz und verursachen deshalb keine unerwünschten Nebenwirkungen», sagt Dürr. Das ist zum Beispiel bei einigen Gemüsesorten der Fall. Den gleichen Effekt kann der Verbraucher bei frischen Nahrungsmitteln wie Kräutern bewirken, indem er sie trocknet.

«Wer besonders heftig reagiert, sollte in Absprache mit seinem Arzt immer ein kleines Medikamente-Set für den Notfall dabei haben. So ist ein Patient schnell in der Lage, der Reaktion seines Körpers entgegenzusteuern», so der Experte. Ein anderer Rat dürfte von vielen Betroffenen schwerer zu befolgen sein: «Vorsicht beim Küssen!», warnt Holst. Schon Minispuren des Allergens im Speichel des Partners könnten das Immunsystem gefährlich auf Trab bringen.