Abnehmen Abnehmen: Wer rettet die Welt vor dem Speck?
Halle (Saale)/MZ. - Die 23-jährige Brianna war fett. 150 Kilogramm. Da gibt es nichts zu beschönigen. Mit der Diät des französischen Mediziners Pierre Dukan hat sie gut 60 Kilogramm abgenommen, berichtet sie stolz auf der Internetseite von Dukan.
Erfolgsgeschichten mit der Diät gibt es en masse. Der Mediziner gibt an, fünf Millionen Franzosen seien mit seiner Diät ihre unerwünschten Pfunde losgeworden. Promis wie die Schauspielerin Jennifer Lopez haben dank Dukan ihre Kurven in Form gebracht. Eine Fangemeinde hat sich etabliert. Die Bücher des Franzosen verkaufen sich bestens.
Jeder Zweite ist zu dick
In der zurückliegenden Fastenzeit haben viele eine Diät gemacht und nach dem passenden Weg gesucht. Gut so: Schließlich ist jeder zweite Deutsche übergewichtig, jeder Fünfte sogar so sehr, dass er als fettleibig gilt. Ist Doktor Dukan der Retter, der die Welt von der Übergewichtsepidemie befreit?
Mitnichten. Mit leisem Seufzen, aber geduldig, erläutern Ernährungswissenschaftler, dass einseitige Diäten immer kritisch zu sehen sind, dass es auf abwechslungsreiches Essen ankommt. Und dass nur abnimmt, wer auch Kalorien einspart.
Die Dukan-Kost ist radikal, denn sie setzt auf extrem eiweißreiche Kost wie mageres Fleisch, Fisch und Eier. Am Anfang bestehen 60 bis 70 Prozent der Nahrung aus Eiweiß, später sinkt der Anteil etwas, weil mehr Gemüse, Salat und Obst erlaubt sind. Er liegt aber immer noch weit über den wissenschaftlich empfohlenen zehn bis 20 Prozent. "Diese Diät mag schnell zu Abspeckerfolgen führen. Sie ist aber sehr einseitig und langfristig nicht unbedingt zu empfehlen", urteilt die Ernährungswissenschaftlerin Ursel Wahrburg von der Fachhochschule Münster. Sie vermisst Studien, die das Dukan-Konzept untermauern.
Die Idee Dukans sowie anderer Eiweiß-Diäten: Eiweiß sättigt besser als Kohlenhydrate, und es verbraucht mehr Energie, wenn der Körper es verarbeitet. Grundsätzlich stimmt das. Anders als Kohlenhydrate und Fett ist Eiweiß für den Körper nicht primär Energielieferant, sondern Baustoff. Und beim Aufbau von Körpergewebe oder Enzymen verbraucht der Körper zusätzliche Energie, Thermogenese genannt. Die Theorie geht aber trotzdem nicht ganz auf, sagt Ursel Wahrburg. "Sobald der Bedarf des Körpers an Eiweißbaustoffen gedeckt ist, wird überschüssiges Eiweiß zum normalen Brennstoff."
Die Expertin ist darüber hinaus überzeugt, dass Extrem-Diäten à la Dukan nicht lange durchzuhalten sind. Der Eiweißschock könnte zu Verstopfung führen und ist für Menschen mit Vorerkrankungen, Diabetiker etwa, kritisch: "So viel Eiweiß belastet die Nieren. Körperlich Gesunde können das für ein paar Wochen oder Monate wegstecken, Menschen mit Vorerkrankungen womöglich nicht."
Der Ernährungsmediziner Andreas Pfeiffer von der Charité Berlin und dem Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke sieht das ähnlich. In der europaweiten Diogenes-Studie, an der sein Team beteiligt war, hat sich zwar herausgestellt, dass eiweißbetonte Kost zu größeren Abnehmerfolgen führt als kohlenhydratreiche. "Der Unterschied hält sich aber in Grenzen und macht im Endeffekt nur ein bis zwei Kilogramm aus", sagt Pfeiffer.
In der 2011 veröffentlichten Nachfolgestudie Profimet hat er zudem festgestellt, dass bereits ein Eiweißanteil von 30 Prozent der Gesundheit schadet. Pfeiffer: "Die Probanden reagierten schlechter auf das Blutzucker senkende Hormon Insulin, wie es auch bei Diabetikern der Fall ist, und es sammelte sich mehr Fett in der Leber."
Ob Eiweißdiäten der richtige Weg zum Wunschgewicht sind, ist also sehr fraglich. Dennoch macht in der Diätsaison 2012 auch die eher besonnene Frauenzeitschrift Brigitte beim Eiweiß-Hype mit. Anfang des Jahres rief sie die Brigitte-Diätwende aus. Anstatt kalorienreduzierter Mischkost, verteilt auf drei Hauptmahlzeiten und zwei Snacks, wird nun alles strenger und anders.
Fortan sind nur noch drei Mahlzeiten am Tag erlaubt, zwischen denen Abstände von vier Stunden liegen müssen. Zwischen Abendessen und Frühstück müssen mindestens zehn Stunden vergehen. Diese Regel wurde aus der Lean Habits Studie des Hamburger Ernährungspsychologen Joachim Westenhöfer abgeleitet.
Und es gibt mehr Protein und weniger Kohlenhydrate. Fatburn-Kick heißen die Gerichte, die 20 Prozent mehr Eiweiß als üblich haben. Kurioserweise berufen sich die Diätentwickler auf die Erkenntnisse der Diogenes-Studie, an der Andreas Pfeiffer beteiligt war. Doch der sagt: "Fatburner gibt es nicht." Fett werde immer dann verbrannt, wenn der Körper weniger Nahrungsenergie bekommt als er braucht. Anlass, vor der Brigitte-Diätwende zu warnen, sehen allerdings weder Pfeiffer noch Wahrburg. Schließlich ist das Gros der Rezepte ausgewogen, und es gibt reichlich Gemüse und Vollkornprodukte.
Ziel: Kalorien einsparen
Im Grunde ist die Kunst des Abnehmens schnell umrissen: Es gilt Kalorien einzusparen, um den Körper ins Energiedefizit zu bringen. Und das Einsparen sollte so erfolgen, dass man dabei möglichst wenig Hunger leidet. Denn nur so ist die harte Prüfung durchzuhalten.
Ursel Wahrburg findet es außerdem wichtig, die Nahrung in der Diätphase so umzustellen, wie sie auch auf Dauer sein sollte: vielseitig und gemischt, mit viel Gemüse und Obst sowie niedriger Energiedichte - also mit kalorienarmen Lebensmitteln. Ernährungsmediziner Pfeiffer sieht die Diätphase liberaler. Er hat noch nicht einmal etwas gegen Crash-Diäten. Seine Devise: "Hauptsache, Sie nehmen ab, egal, wie."
Kampf gegen Gewohnheiten
Doch wie lässt sich das neue Gewicht am besten halten? Für Experten ist diese Frage viel wichtiger als ausgeklügelte Diätpläne. "Abnehmen kann jeder. Aber 80 Prozent der Menschen nehmen nach der Diät wieder zu", sagt Pfeiffer. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Menschen zu ihren alten Ernährungsgewohnheiten zurückkehren. "Wer nach einer Diät genauso viel isst wie davor, der nimmt wieder zu", sagt Pfeiffer. Die Rechnung ist einfach: Der Grundumsatz des Körpers richtet sich nach dem Gewicht. Wer zehn Kilogramm verliert, braucht entsprechend weniger Nahrungsenergie.
Unvermeidlich auf dem Weg zum Wunschgewicht ist es daher, Bewegung in den Alltag einzubauen. Und zwar reichlich. "Pro Woche sollte man entweder 150 Minuten Ausdauertraining betreiben, wozu auch flottes Spazierengehen zählt, oder 75 Minuten intensiv Sport betreiben, also zum Beispiel Joggen", rät Andreas Pfeiffer.
Zusätzlich ideal: zehn Minuten Krafttraining am Tag. Es dürfen auch Liegestütze und andere Gymnastikübungen auf dem Wohnzimmerteppich sein. "Wenn sich alle daran halten würden", schwärmt Pfeiffer, "wäre der Effekt für die Gesundheit enorm."