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Gesellschaft Gesellschaft: Streitende Nachbarn beschäftigen Gerichte

01.07.2011, 08:45
Wenn zwei sich wortlos gegenüberstehen, ist schon viel verloren - bei Streit am Gartenzaun hilft oft nur gegenseitiges Verständnis. Viele suchen allerdings auch Hilfe vor Gericht. (FOTO: DPA)
Wenn zwei sich wortlos gegenüberstehen, ist schon viel verloren - bei Streit am Gartenzaun hilft oft nur gegenseitiges Verständnis. Viele suchen allerdings auch Hilfe vor Gericht. (FOTO: DPA) Jens Schierenbeck

Mainz/dpa. - Bekanntlich kann der Frömmste nicht in Friedenleben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Ein Blick in dieeinschlägigen Gerichtsakten zeigt dabei die Vielfalt nachbarlicherBeziehungen. Denn als störend werden Kinder, des nachts streitendeEheleute, Musikinstrumente und häufig auch Tiere empfunden.

So befand beispielsweise das Landgericht Mainz, auch in einerländlichen Gegend müsse ein Hundehalter sicherstellen, dass derNachbar nicht vor sieben Uhr morgens und zwischen 13.00 und 15.00 Uhrsowie nach 22.00 Uhr durch übermäßiges Hundegebell gestört werde(Az.: 6 S 87/94). Die Amtsgerichte Rheine (Az.: 14 C 731/97), Hamburg(Az.: 49 C 165/05) und Potsdam (Az.: 26 C 76/00) billigten Mieterndas Recht zu, die Miete wegen Hundegebells aus der Nachbarwohnung zukürzen, und dem Vermieter das Recht, den Hundehalter kurzfristig vordie Tür zu setzen.

Doch der Bannstrahl Justitias trifft nicht nur Hunde, sondern auchHühner und Hähne. So untersagte das Oberlandesgericht (OLG) Celle dieHühnerhaltung, wenn deren Gegackere den Nachbarn unzumutbar belästige(Az.: 4 U 37/87). Ebenso «untersagten» die Landgerichte Hildesheim(Az.: 7 S 541/89) und München I (Az.: 23 O 14452/86) den Hahnenschreizur Unzeit. Dagegen urteilte das Landgericht Kleve, ein schon vor03.00 Uhr in der Frühe krähender Hahn sei in einer ländlichen Gegendden Nachbarn zumutbar (Az.: 6 S 311/88).

Ein beliebtes Streitobjekt zwischen Nachbarn sind Katzen. So kannsich nach Meinung des Amtsgerichts Neu-Ulm (Az.: 2 C 947/98) einNachbar nur gegen mehrere frei laufende Katzen erfolgreich vorGericht zur Wehr setzen. Grundsätzlich müsse er Nachbars Katze undderen Kotablagerung auf seinem Grundstück hinnehmen. Ebenso urteiltendie Landgerichte Bonn (Az.: 8 S 142/09) und Lüneburg (Az.: 1 S198/99). Nach Meinung des Amtsgerichts Arolsen (Az.: 2 C 18/07) mussein Mieter sogar dann die Katzen des Nachbarn dulden, wenn er aneiner Katzenallergie leidet. Starke Verunreinigungen auf demGrundstück können den Mieter allerdings zur Kürzung der Mieteberechtigen. Werden in der Mietwohnung 15 Katzen gehalten, darf derVermieter kündigen, selbst wenn Hauskatzen laut Mietvertraggrundsätzlich erlaubt sind, so das Landgericht Aurich (Az.: 1 S275/09).

Bei Kinderlärm sollte der Nachbar seine Hoffnung nicht auf dieGerichte setzen. Denn sie haben längst klargestellt, was derGesetzgeber nunmehr ausdrücklich regeln will: Kinderlärm istgrundsätzlich keine unzulässige Lärmbelästigung. So müssen Mieternach Meinung der Amtsgerichte Starnberg (Az.: 1 C 1021/91) undFrankfurt (Az.: 33 C 2368/08) Kinderlärm hinnehmen. Das LandgerichtBerlin sieht einen Vorrang «lärmintensiven Kinderspiels» vor denInteressen der Mieter (Az.: 66 S 114/92). Das Landgericht BadKreuznach (Az.: 1 S 21/01) sowie das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf(Az.: 409 C 285/08) werten Kinderlärm nicht als Grund für einefristlose Kündigung. Allerdings müssen Eltern nach Meinung derLandgerichte Köln (Az.: 6 S 403/07) und Berlin (Az.: 67 S 485/09)auch auf die allgemeinen Ruhezeiten achten.

Selbstverständlich müssen sich Gerichte auch noch aus anderenAnlässen mit streitenden Nachbarn befassen. So muss sich der früh undspät übende Pianist nach Urteilen der Landgerichte Düsseldorf (Az.:22 S 574/89) und Frankfurt (Az.: 2/25 O 359/89) auf die Tageszeitenund dann auch noch auf maximal drei Stunden beschränken. EinHeavy-Metal-Fan darf nach einem Urteil des Landgerichts Coburg vomVermieter sogar vor die Tür gesetzt werden (Az.: 32 S 1/08).

Ebenso wehrten sich Nachbarn erfolgreich vor dem AmtsgerichtBergisch-Gladbach gegen ein ständig streitendes Ehepaar (Az.: 64 C125/00). Das Amtsgericht Düsseldorf sah darin sogar eineOrdnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld bestraft werden kann (Az.:302 OWi - 904 JS 708/91). Ebenso wenig müssen Nachbarn das«grenzenlose Ausleben des Sexualtriebs» hinnehmen, so jedenfalls dasAmtsgericht Warendorf, das einem Pärchen «lautstarkes Sexgestöhne»nachts untersagte (Az.: 5 C 414/97).

Letztendlich fehlen auch die traditionellen Nachbarstreitigkeitennicht: Der Hauseigentümer muss es nicht hinnehmen, wenn dieBaumwurzeln des Nachbarn sein Regenabflussrohr verstopfen (OLGDüsseldorf, Az.: I-22 U 6/07). Er darf vom Nachbarn auch denRückschnitt der in sein Grundstück hinüber ragenden Äste verlangen,so das Landgericht Bochum (Az.: 10 T 110/02).

Schließlich muss der Nachbar auch grundsätzlich den Komposthaufendulden, urteilten übereinstimmend die Amtsgerichte Regensburg (Az.: 7C 1956/83) und Hersbruck (Az.: 9 C 1635/96). Eine Ausnahme gilt nacheinem Urteil des OLG Stuttgart allerdings, wenn sich Schädlinge aufdem Komposthaufen niederlassen (Az.: 5 U 74/04).