Geschmacksache Geschmacksache: Chicorée wird von Gourmets geschätzt

Meckenheim/Bonn/dpa. - «Der Verbrauch ist hier zu Lande stagnierend bis rückläufig», sagt Werner Deck vom Arbeitskreis Chicorée in Meckenheim bei Bonn. Im Schnitt nur 250 Gramm pro Kopf lassen sich die Deutschen jährlich schmecken, so Hans-Christoph Behr von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in Bonn. Vor allem in Ostdeutschland hat das bleiche Kellerkind aber seine Fan-Gemeinde. Denn zu DDR-Zeiten war Chicorée mangels Alternativen ein beliebtes Wintergemüse.
Ähnlich wie beim Spargel spielte wohl der Zufall mit, als belgische Gärtner die zarten, unter Lichtmangel cremefarbenen Knospen aus der bitteren Zichorienwurzel entdeckten. Seit dem Mittelalter wurden Zichorien nur als Viehfutter oder geröstet als Kaffeesurrogat verwendet. Im Jahr 1873 wurde «Witloof» (Weißlaub), so der flämische Name des Triebes, dann auf einer Messe als Gemüseneuheit vorgestellt.
Inzwischen hat moderne Wasserkultur die alte Erdtreiberei fast völlig abgelöst. Frühestens ab Mitte September bis in den April hinein - teils auch das ganze Jahr über - läuft die «dunkle» Kunst der Chicorée-Treiberei. Etwa drei Wochen stehen die zuvor im Freiland gezogenen Wurzeln in absoluter Dunkelheit eng an eng in Treibkisten im Wasser, bis sich die maiskolbenähnlichen Sprossen gebildet haben. Schon ein kurzer Lichteinfall würde die Chlorophyllbildung anregen, die die Blätter grünlich verfärbt und bitter werden lässt. Gewünscht sind fest geschlossene Kolben mit hellgelben Spitzen.
Vor allem der Bitterstoff Intybin, der hauptsächlich in den unteren Blattteilen und im Strunk sitzt, verdirbt vielen den Geschmack. «Durch Züchtung hat man heute Sorten, die bei weitem nicht mehr so bitter schmecken wie früher», erklärt Deck.
Das gehaltvolle Innenleben des Chicorées sollte Anreiz sein, ihn öfter auf den Speisezettel zu setzen. Abgesehen von den Bitterstoffen ist das Gemüse mit seinem beachtlichen Gehalt an Provitamin A und Kalium sowie nur 16 Kilokalorien pro 100 Gramm für jede Frühjahrs-Kur geeignet. Mit dem Brüsseler Salat, wie Chicorée auch genannt wird, kommt der Stoffwechsel in Schwung.
Für Meisterkoch Jochen Kempf vom Restaurant «La Mer» in Hamburg zum Beispiel sind die weißlichen Sprossen ein idealer Begleiter zu Kalb, Geflügel oder Fisch: «Durch seine leichte Bitterkeit schmeckt er fein und einzigartig.» Zu einem Chicorée-Salat gehörten auch Fenchel und Grapefruitfilets. Für eine Beilage zu Geflügel karamellisiert er die Blätter in zerlassenem Puderzucker und löscht mit Zitronen- oder Orangensaft ab. Danach wird alles in brauner Butter geschwenkt.
Doch die leicht legierte Chicorée-Birnen-Suppe oder der mit einer Pilzfarce gefüllte Chicoréekolben des Hamburger Meisterkochs schmecken nur, wenn das Gemüse absolut frisch ist. Keinesfalls sollte es viel Licht bekommen. Im Gemüsefach des Kühlschranks dunkel gelagert, bleibt der bleiche Spross bis zu zehn Tage lang in Form.