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Geschmack Geschmack: Guter Ziegenkäse «bockelt» nicht

Von HEIDEMARIE PÜTZ 30.09.2010, 16:39

HALLE/MZ. - Lauwarmer Ziegenkäse auf Blattsalat das vermittelt einen Hauch französischer Lebensart. Kenner schätzen den Käse aus der Milch der "Kuh des kleinen Mannes" und bevorzugen Rohmilch-Exemplare aus bäuerlichen Käsereien. Ziegenkäse sollte auf keiner Käseplatte fehlen. Aber auch gratiniert, als Käsekruste auf einem Lammrücken oder als Begleiter von süßen Früchten ist sein feines Aroma ein Genuss. Je gereifter der Käse, desto kräftiger ist sein Geschmack.

Susanne Hofmann vom Tölzer Kasladen in der oberbayerischen Kurstadt Bad Tölz kann sich für Ziegenkäse begeistern. Dem Vorurteil, dass der Käse "bockelt", das heißt nach Stall und Bock schmeckt, setzt sie überzeugend entgegen: "Das kommt von schlechten Käsen. Lässt man die Milch zu lange stehen, oxidiert das Milchfett. Caprinsäure wird frei, und dadurch schmeckt der Käse bockig. Wird die Milch aber zügig verarbeitet, hat er ein mildes, leicht säuerliches und nussiges Aroma."

Nach wie vor ist Frankreich der Hauptmarkt. Das Land hat mehr als 100 verschiedene Sorten zu bieten. Ob in Zylinder-, Kegel- oder Knopfform, als kleine runde Scheiben, Rechtecke oder Rollen, in Asche gewälzt oder von Edelschimmel überzogen - die Fantasie der Erzeuger kennt kaum Grenzen. Sie packen die kleinen Käselaibe in Blätter oder rollen sie in Kräutern. Manche Käse reifen in Trester oder werden von einem Strohhalm in der Mitte gehalten. Aber auch die deutschen Hersteller haben inzwischen sehr Schmackhaftes im Angebot.

In der Herstellung unterscheidet sich der Käse nicht sehr von Kuhmilchkäse. "Allerdings muss die dickgelegte Milch sehr sorgfältig bearbeitet werden. Ihre Struktur ist feiner" , erklärt Richard Ellmer, Prüfungsbevollmächtigter der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. Ihre Cremigkeit verdankt sie speziellen Eiweißen, die den Käse geschmeidiger und dadurch formbarer machen. Die Zusammensetzung des Eiweißes ist Ellmer zufolge auch der Grund, warum Kuhmilchallergiker Ziegenkäse essen können. Das Mischen mit Kuhmilch sei erlaubt, müsse allerdings deklariert werden.

Wegen seiner Milde ist ein Frischkäse ideal für Einsteiger. Erst mit zunehmender Reife wird der Geschmack intensiver. "Ziegenkäse unterscheiden sich mehr durch ihren jeweiligen Reifegrad als durch die Sorten" , erklärt die Tölzer Käsemeisterin. Frischkäse wird gezielt getrocknet bis hin zu halbtrocken oder trocken. Die Farbe der Rinde zeigt, wie lange der Käse reift. Je dunkler, desto älter und aromatischer ist er.

Werden bestimmte Pilzkulturen zugesetzt, die dem Käse ein spezielles Aroma verleihen sollen, bildet sich eine Edelpilzrinde. An den bläulich-weißen Schimmelschichten, die viele Franzosen mögen, erkennt Hofmann die traditionelle Herstellung: "Die Rinde kann man mitessen." Sollte der Geschmack zu sehr beeinflusst werden, dann empfiehlt sie: "einfach abschneiden".

Spitzenkoch Patrik Kimpel vom Hotel und Restaurant "Kronenschlößchen" in Eltville-Hattenheim (Hessen) zieht für seine warme Küche frischen Ziegenkäse vor: "Andere Reifegrade dominieren geschmacklich zu sehr." Milder Frischkäse habe von seiner Konsistenz und seinem Aroma eine gewisse Leichtigkeit. "Da ist es nicht so, dass die Gäste kein Dessert mehr mögen." Kombiniert mit einem Aprikosen- oder Pflaumenkompott sei er ein Gedicht.

Wer es kräftiger mag, dem empfiehlt der Küchenchef und Präsident der Jeunes Restaurateurs d'Europe eine Ziegenkäsecreme zum Lamm. Dazu wird der Käse leicht erhitzt und mit Milch sowie Sahne aufgeschlagen. "Das ergibt ein luftiges Püree, das man wie Tränen auf den Teller ziehen kann", schwärmt Profikoch Kimpel. Lammrücken serviert er mit einer Ziegenkäse-Basilikum-Kruste. Raffiniert ist auch lauwarmer Ziegenkäse mit altem Aceto Balsamico kredenzt zu einem Tomaten-Oliven-Kompott - ein Gericht, das Kimpel als Vorspeise empfiehlt. Für den Gang nach dem Essen schwören Kenner auch auf gereifte Varianten des exquisiten Käses.