Geschirr Geschirr: Natur auf dem Teller

Hamburg/dpa. - Zarte Rosen, kräftige Tulpen oder bunter Mohn: Blumen zählen seit jeher zu den beliebtesten Motiven auf Tellern, Tassen und Schüsseln. Von den einen heiß geliebt, werden die Blütenmuster von den anderen als kitschig oder altmodisch geschmäht. In diesem Jahr haben die Designer Pusteblume und Co. jedoch einer kräftigen Verjüngungskur unterzogen. Fotorealismus lautet das Gebot des Sommers: Fast fotografisch genau wird die Natur auf Porzellan übertragen.
Wie durch ein Mikroskop betrachtet wirken beispielsweise die übergroßen Grashalme auf den so genannten Twinsets - bestehend aus Bechern und Tellern - der Firma Kahla aus dem gleichnamigen Ort in Thüringen. Auch die blattförmigen Schalen der Serie «Palm» von Villeroy und Boch aus Mettlach (Saarland) zieren als neues Muster einzelne Grasblätter. Auf dem Service «Zen» der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin zieht sich beim Dekor «Solo» eine zarte Ranke über Schüsseln und Teller.
«Dass Blumen so ein großes Thema sind, hängt mit dem derzeitigen Wellness-Trend zusammen», erklärt Yvonne Puschatzki von Kahla-Porzellan. Viele Leute sehnten sich zurück zur Natur und wollten sich diese entsprechend auch in ihr Haus holen.
Trotz des genauen Blicks der Designer auf die natürlichen Vorbilder wirken viele der Pflanzen- und Blumenmuster seltsam fremd. Dieser Effekt ist durchaus beabsichtigt, so Puschatzki: «Das macht den Unterschied zu den traditionellen Blütenmustern aus.» Erreicht werde der Effekt durch die Vergrößerungen und auch durch die Farben.
Bevorzugt bilden die Designer in diesem Jahr dabei blaue Blüten auf weißem Grund ab: So ist beispielsweise auf dem neuen Service «Central Park» der Porzellanmanufaktur Fürstenberg (Niedersachsen) beim Dekor «Moods» eine Pusteblume in Pastellblau zu sehen. Die Designerin Mikaela Dörfel versah das in weichen Linien organisch geformte Porzellan mal mit einer ganzen Pflanze, mal nur mit ihren Samen, die zart über Teller, Krüge und Platten schweben.
Blaublütiges auf blütenweißem Porzellan findet sich auch in der neuen Kollektion der königlichen Porzellanfabrik Royal Copenhagen. Dafür tauschte die dänische Malerin Mette Hannemann die Leinwand gegen Porzellan. «Inspirieren lassen habe ich mich von altem chinesischen und japanischem Porzellan», erzählt Hannemann.
Besonders fasziniert gewesen sei sie von Anfang an von der blauen Unterlasurfarbe, die bei Royal Copenhagen schon im 19. Jahrhundert verwendet wurde. «Ich wollte etwas schaffen, das an Wasserfarbenmalereien erinnert», erklärt Hannemann. Einige Monate habe sie für diese ersten Unikate experimentiert.
Inzwischen ist die Malerin einen Schritt weiter: Unter dem Titel «Hannemann-Projekt» sind ihre Entwürfe in Serie gegangen. Möglich machte das die Wiederentdeckung einer alten Sprühtechnik, bei der die Motive in verschiedenen Blautönen à la Airbrush aufgetragen werden. Dabei entstehende Schönheitsfehler - etwa kleine Kleckse - seien durchaus beabsichtigt. «Das macht den Charakter aus», sagt die Künstlerin. Unverändert blieben - auch bei der neuen Fertigungsweise - die Motive Hannemanns: Alle Blumen des Dekors stammen aus der Flora Skandinaviens.
Der eher klassisch-konservativen Blumenvariante entspricht «Blue Meadow» von Villeroy und Boch. Auf der bereits in den fünfziger Jahren entworfenen Geschirrform «Anmut» wurden dafür zarte Wildgräser platziert. Für eine Verfremdung der naturgetreuen Abbildungen soll laut dem Hersteller die Farbe sorgen, ein kräftiges Indigoblau.
«Romantikthemen sind sehr wichtig», erklärt Elke Fischer von Villeroy und Boch den derzeitigen Blüten-Boom. Dass dabei die blau-weiße Farbkombination so häufig auftaucht, liege daran, dass Blau wie in der Mode derzeit auch in der Einrichtung eine absolute In-Farbe ist. Zudem sei diese Zusammenstellung ein Klassiker, der sich problemlos mit vielen anderen Geschirrteilen kombinieren lässt.
Die Kreativität der Designer beschränkt sich beim Thema Natur auf dem Teller jedoch nicht nur auf die Pflanzenwelt. Auch die sich zwischen Gräsern, Blättern und Blüten bewegenden Insekten wurden auf Porzellan verewigt. Dabei haben nicht nur niedliche Marienkäfer Platz auf Müslischüsseln und Trinkbechern. Der Designer Ted Muehling aus New York zum Beispiel hat sich für die Porzellan-Manufaktur Nymphenburg in München neben Schmetterlingen auch mit Motten und Fliegen beschäftigt - und lässt diese in seiner neuen Kollektion über feinstes Porzellan krabbeln und surren.

