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Gaumenfreuden Gaumenfreuden: Kulinarische Reise in die Provence

14.10.2003, 09:26
«La melan», die Beste aller Besten - typisch sind die feinen weißen Adern für den auch Tuber melanosporum oder «rabasse» genannten Schlauchpilz.(Foto: dpa)
«La melan», die Beste aller Besten - typisch sind die feinen weißen Adern für den auch Tuber melanosporum oder «rabasse» genannten Schlauchpilz.(Foto: dpa) Heidemarie Pütz

Carpentras/dpa. - Mirette ist eine vierbeinige Feinschmeckerin. Die Mischlingshündin ist in den Trüffelgärten ihres Besitzers Eric Jaumard aus Monteux in der Nähe von Carpentras auf der Jagd nach dem schwarzen Wintertrüffel. Von Mitte November bis Mitte März wird das Département Vaucluse in der Provence zum Treffpunkt von Händlern, Küchenchefs und Feinschmeckern. Und auf dem Trüffelmarkt in Carpentras entscheidet es sich, zu welchem Preis die Delikatesse in Frankreich und über die Grenzen hinaus gehandelt wird.

Kalt bläst der Mistral durch die Blätter und sorgt für klare Luft. Jedes Wölkchen hat er vom Himmel geputzt. «Allez, cherche les truffes - such die Trüffel», feuert Eric die Hündin an, die unruhig, die Nase tief am Boden, zwischen den Bäumen herumläuft. Im Vaucluse ist kaum ein Trüffelsucher noch mit Schweinen unterwegs. Die eigens auf den Geruch der Knolle dressierte Hündin scheint in Windeseile fündig geworden zu sein, scharrt kurz im Boden und bleibt auf Anruf stehen. Ihr Herrchen eilt herbei und legt die erste erdverkrustete Trüffel frei. Hier im Vaucluse, am Fuße des Mont Ventoux, liegt Frankreichs Trüffel-Zentrum. Nirgendwo sonst wird so viel «la melan» gefunden, die Beste aller Besten mit den feinen weißen Adern, Tuber melanosporum. Eine Sorte, die wegen ihrer Farbe und ihres Wertes auch den Titel «Schwarzer Diamant» trägt.

Dass der braunschwarze Schmarotzer, der sich mit seiner Wirtspflanze symbiotisch vereint, auch als «Périgord-Trüffel» gehandelt wird, ist ein Relikt aus früheren Zeiten. Während namhafte Trüffelverarbeiter ihren Sitz noch im Périgord haben, kommt der Hauptertrag inzwischen aus dem Südosten Frankreichs. Im Vaucluse werden 74 Prozent des französischen Marktangebotes geerntet, vorwiegend in angelegten Trüffelgärten aus Steineichen, deren Wurzeln mit Trüffeln «geimpft» wurden.

Nicht immer war Trüffel ein seltener Luxusartikel. Erst der Einzug moderner Technologien auf den Bauernhöfen machte ihm den Garaus, da die oberflächennahen Wurzeln der Wirtsbäume zerstört wurden. Ende des 19. Jahrhunderts lag in Frankreich die jährliche Durchschnittsernte bei 900 Tonnen, heute sind es gerade einmal 30. Den begehrten Pilz kommerziell zu züchten, ist noch nicht gelungen.

Geheimnisvoll geht es zu, wenn von Ende November bis Mitte März freitags um 9.00 Uhr am Place Aristide Briand in Carpentras vor der Bar «Le Club» die Trillerpfeife ertönt. Der Trüffelmarkt ist dann eröffnet. Schnell füllt sich das innere Carré der Holztische, auf denen das Objekt der Begierde in Säckchen, Tüten und Körben feilgeboten wird, mit Grossisten, die im Auftrag ihrer Kunden verhandeln. Der Richtpreis des Tages wurde zwar schon frühmorgens in der Bar festgelegt, aber einen Versuch ist es wert. Auch wenn sich morgens Raureif zeigt und die Nächte bitterkalt sind, ist die Trüffelsaison eine gute Zeit zu reisen. Wenn der eisige Wind bläst, zeigt sich das Vaucluse im schönsten Licht. Städte und Dörfer sind leergefegt, nur Wettererprobte, Reisende, die die Einsamkeit suchen, und Gourmets sind anzutreffen. «Wem läuft nicht das Wasser im Munde zusammen, wenn er von Trüffeln à la Provence sprechen hört», wusste schon im Jahr 1825 Brillat-Savarin, Frankreichs berühmtester Kenner kulinarischer Genüsse.

In Venasque führt Christian Soehlke, Schweizer und Autodidakt am Herd, in seiner «Auberge de la Fontaine» in die Kunst der Trüffelküche ein. Wie bei Wein und Oliven sei der Geschmack abhängig vom Boden, von Mineralien und vom Mikroklima. Soehlke bevorzugt die im steinigen Terrain warzig verwachsenen Bergtrüffel vom Mont Ventoux. Die beste Zeit für «Melano» sei Januar und Februar.

Kahl sind die Weinberge, in denen im Herbst die Trauben für den «Côte de Ventoux» gelesen werden. Die sand- und ockerfarbenen Häuser in Dörfern wie Gordes wirken anheimelnd und lassen erkennen, warum im Vaucluse sieben der angeblich schönsten Dörfer Frankreichs zu finden sind.

Eines davon ist Ménerbes im Lubéron, etwa 80 Kilometer südöstlich von Carpentras. Auch hier wird dem schwarzen Wintertrüffel gehuldigt. Im Ortszentrum lässt Bürgermeister Yves Rousset-Rouard ein historisches Gebäude zum «Haus des Trüffels und des Weins» umbauen.

Die Trüffelsaison im Vaucluse ist ein Fest für Gourmets. Bis Mitte März wird «Melano» überall gefeiert: auf den berühmten Märkten von Richerenches, Valréas und Carpentras, auf speziellen Trüffelmessen und in jedem Restaurant. Die Phrase, wie Gott in Frankreich zu leben, ist bei einen Teller frisch gehobelter «rabasse» mit Olivenöl und Fleur de Sel aus der Camarque keine mehr.

Das Vaucluse im Süden Frankreichs - die Region nordwestlich von Marseille gehört zur Provence und steht bei Feinschmeckern wegen ihrer Trüffel hoch im Kurs.(Karte: dpa)
Das Vaucluse im Süden Frankreichs - die Region nordwestlich von Marseille gehört zur Provence und steht bei Feinschmeckern wegen ihrer Trüffel hoch im Kurs.(Karte: dpa)
Sven-E. Hauschildt