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Frisuren Frisuren: Gestylt bis in die Spitzen

Von Thomas Enslein 13.06.2003, 15:46

Halle/MZ. - Nun denn, beschwingte Freude auf dem Kopf - nichts lieber als das. Das zentrale Thema der Saison dabei: "Haare in Bewegung", so der Verband. Denn wichtig seien in diesem Sommer vor allem "Dynamik, Extravaganz, Lässigkeit, Romantik und Sex-Appeal". Und in der Tat: Bei der englischen Frisurentrendschmiede Toni & Guy nennt sich die neue Frisurenkollektion gleich "Deconstruction", was soviel heißt wie zerlegen, alles auseinander nehmen.

"Anders als bei klassischen Frisuren geht es nun nicht mehr darum, alles fein säuberlich zu verputzen", erläutert Jürgen Karl, Artdirector im Tony & Guy-Hauptquartier in Stuttgart. "Im Gegenteil. Die einzelnen Schnittlinien sollen möglichst unverbunden sein, denn es geht vor allem um Struktur und Bewegung, Höhen und Tiefen."

Kennzeichnend dafür sind etwa extreme Längenunterschiede einzelner Partien, oft geschnitten in Form eines so genannten Undercuts. Dabei fallen lange Deckhaare über das wesentlich kürzer geschnittene Unterhaar. Bei Finessen wie etwa dem "Back Cutting" wird das Haar gar mit der Schere toupiert. Beim "Twist Cutting" werden aus zwischen den Fingern verdrehten Strähnen einfach wahllos einzelne Zacken herausgeschnitten. Der Effekt: "Weichheit, die Frisur fällt lässig und locker, ganz zufällig", so Jürgen Karl. Das krasse Gegenteil geht zur Not auch: Streng geometrische Schnitte. Und doch macht sich die Modebewusste in dieser Saison stets dadurch bemerkbar, dass zumindest mit Teilen Ihrer Frisur irgendwas nicht so recht stimmt. "Der Trend geht insgesamt davon weg, wie frisch vom Friseur kommend auszusehen. Die neuen Looks wirken lässig und unfrisiert. Die Schnitte sehen fast aus, wie zu Hause selbst gemacht", sagt Silvia Brennecke, Haarstylistin im Berliner Hip-Salon Delicut. Perfektion wird ad absurdum geführt: Perfekt ist es, wenn es nicht so aussieht.

Stilistisch spielen nach wie vor die Moden vergangener Zeiten eine große Rolle, allen voran die der 80er Jahre. Nena lässt grüßen. Auch die 60er und 70er - etwa schmachtende Farah-Fawcett-Major-Locken - sind für stilistische Anleihen erlaubt. Allerdings: "Man lässt sich zwar davon inspirieren, aber ein moderner Schnitt sieht nie genau so aus wie das Original", betont Ralf Schewe, Creative Director bei Vidal Sassoon in Berlin. "Die Schnitte 2003 sind im Gegensatz zu den Vorlagen wesentlich skurriler, extremer und markanter konzipiert und nicht so leicht fassbar."

So kommt es, dass Vorschläge für den unverwüstlichen Bob - der Frisurenschlager für mittellange Haare - in diesem Jahr ebenfalls verhältnismäßig obskur serviert werden. Die Friseur-Innung schlägt in ihrem Heft Frisur & Mode dafür eine "stark asymmetrische Ponypartie" vor, die auf den Bildern dazu ausgesprochen kryptisch über die Augen fällt und kurzerhand mit einem seesternartigen Puschel auf dem Oberkopf verziert wurde. Denn auch hier gilt: Der zerschnittene Oberkopf bringt Lebendigkeit in die klassische Frisurenform.

Einer der Vorteile des neuen Wild-Styles: "Man hat wesentlich mehr Variationsmöglichkeiten als bei klassisch geschnittenen Frisuren. Denn über das Ergebnis entscheidet wesentlich das Styling", so Brennecke. Natürlich und lässig geht's am Tage zu. Mit ein paar Handgriffen und einigen Pumphüben aus dem Haarlackzerstäuber wird die Frisur am Abend flugs auf edel oder dramatisch getrimmt oder gänzlich zerzauselt. Selbstredend haben die neuen Kopfputz-Trends auch ganz praktische Gründe: "Die Kunden mögen einfach keine komplizierten Frisuren mehr, an denen man morgens stundenlang rumondulieren muss. Frisuren müssen heutzutage für den Alltag in erster Linie praktisch sein", meint Brennecke.

Gleichwohl manche Looks durchaus eine sehr kräftigte Farbe vertragen, steht derzeit ein quietschiges Lola-rennt-Rot und andere Farbknaller bei den meisten Figaros nicht besonders hoch im Kurs. Statt dessen sollte es aussehen, als sei die Lola mit Ihrer Koloration schon vier Wochen bei Wind und Wetter unterwegs gewesen: "Angesagt sind staubige und pudrige Farben, die irgendwie verwaschen aussehen und keinen Glanz haben", sagt Jürgen Karl.

Heißt also: Man greife statt zu Platinblond lieber zu matten Aschtönen, statt knalligem Kupfer lieber zu cremigen Zimtnuancen oder Mahagoni. Auch viele Stylingprodukte setzen in der sommerlichen Jahreszeit auf den Matt-Look, mit dem das Haar wie ausgetrocknet oder wie mit Trockenshampoo belastet aussieht. Statt der vor allem bei Balearen-Urlauberinnen sehr beliebten Streifenhörnchen-Strähnen geht der Trend dazu, ganze Flächen und Partien zu färben. Viel gesichtet wurden auf den Laufstegen auch getigerte Strähnen, die aber immer die Gesamtgeometrie der Frisur unterstreichen.