Freundinnnen Freundinnnen: Nach dem Kind auf der Ersatzbank
GÖTTINGEN/DPA. - Sie ist Ansprechpartnerin für alle Lebenslagen: die beste Freundin. Ob die Kollegen im Job nerven, die Nachbarin über die vergammelten Blumen auf dem Balkon meckert oder der Freund sich daneben benimmt: Die Freundin versteht einen und hat immer ein offenes Ohr. Das kann sich aber schnell ändern, wenn sie Mutter wird. Wer selbst noch kinderlos ist, fühlt sich dann schnell aufs Abstellgleis befördert. Und die Freundschaft wird sich mit der Geburt des Babys zwangsläufig verändern.
"Das ist eine große Umwälzung", sagt die Psychologin Felicitas Heyne in Herxheim (Rheinland-Pfalz). Für werdende Mütter verschiebe sich der Fokus ihrer Interessen. Und durch die anstehende Geburt hätten sie weniger Zeit und Energie übrig. Ähnlich sieht das die Psychotherapeutin Michaela Huber in Göttingen: "Ein Kind kriegen bedeutet, dass Ähnlichkeiten zwischen Freundinnen schwinden und Lebensentwürfe auseinanderdriften."
Schnell geraten dadurch Lebensmodelle in Konkurrenz: "Viele kinderlose Frauen fühlen ihr Leben durch die Mutterschaft der anderen auf den Prüfstand gestellt und empfinden das als Kritik", erklärt Heyne. Die Reaktion auf die Schwangerschaft der Freundin kann daher auch ein Gradmesser für die eigene Zufriedenheit sein, wie Huber findet: "Wenn die Frau ihr eigenes Lebensmodell bejaht und genug Selbstwertgefühl hat, dann wird sie Verständnis für die andere haben und sich nicht angegriffen fühlen."
Manchmal kommt aber auch deshalb keine wahre Freude über das Kinderglück der Freundin auf, weil es den eigenen, unerfüllten Wunsch nach Nachwuchs deutlich macht. "Das kann sehr schmerzhaft sein, wenn man selbst keine Kinder kriegen kann oder der passende Partner fehlt", erläutert Heyne. In solchen Fällen helfe es nicht, das überspielen zu wollen. "Man muss sich trauen, zu sagen: 'Tut mir leid, ich kann deine Gefühle gerade nicht teilen.'" Wichtig sei vor allem, authentisch zu bleiben.
Oft bekommen Freundinnen schon lange vor der Geburt zu spüren, wie sich die Prioritäten der werdenden Mutter verändern. Sie sofort darauf anzusprechen, bringt laut Heyne aber nicht viel: "Für so eine Kritik ist sie nicht empfänglich." Das meint auch Horst Heidbrink, der an der Fernuni Hagen Psychologie lehrt: "Ich kann natürlich meine Erwartungen an die andere formulieren und hoffen, dass sich die Freundschaft mit der Geburt nicht verändert". Bei sehr engen Beziehungen werde das aber kaum klappen. Stattdessen müssten beide überlegen, wie sie die Freundschaft verändern können, so dass beide zufrieden sind.
Konkret heißt das, dass die Schwangere ihre Freundin schon früh miteinbeziehen sollte - etwa beim Begleiten zum Ultraschall oder beim Einkauf von Babysachen. Im Gegenzug könne die andere fragen: "Wie stellst Du Dir das vor, möchtest Du, dass ich eine Art Patentante für Dein Kind werde?", schlägt Huber vor. Die kinderlose Freundin müsse sich in das Leben der anderen einfädeln und ein wenig in Vorleistung gehen. Funktionieren kann das natürlich nur, wenn sie grundsätzlich Interesse an Kindern hat. Ist das nicht der Fall, wird es für beide Frauen schwer, die Freundschaft aufrecht zu halten. Ist das Baby auf der Welt, ist es mit spontanen Treffen meist vorbei: "Das kann man sich erstmal einige Zeit anschauen. Werden aber auch langfristige Verabredungen ständig abgeblasen, kann man die andere schon mal nach ihren Prioritäten fragen", rät Heyne. Mütter entwickelten schnell den Anspruch: Mein Kind ist der Nabel der Welt, und alles dreht sich um uns. Aus Heynes Sicht sei das langfristig gesehen aber auch das falsche Signal an das Kind: "Das muss lernen, dass Mama ihr eigenes Leben hat."