Fremdsprachen Fremdsprachen: Latein ist tot, es lebe Latein!

Berlin/Rottweil/dpa. - Die einstige Frontstellung «moderne gegen alte Sprachen» ist dabei kaumnoch zu finden: Pädagogen loben das Miteinander als fruchtbar für das Erlernen von Sprache überhaupt.
Die Zahlen sind deutlich: Nahmen im Schuljahr 2002/03 bundesweitrund 654 000 Schüler am Lateinunterricht teil, waren es im Schuljahr 2005/06 bereits 771 000. Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden wuchs auch die kleine Schar, die Altgriechisch lernt, von 13 300 auf mehr als 15 000. Insgesamt lernen 8,1 Prozent der Schüler Latein, das damit auf Platz drei hinter Englisch und Französisch liegt.
Für den Boom nennen Experten mehrere Gründe. «Eine Rolle spieltder inzwischen frühe Beginn von Englisch», sagt Prof. Stefan Kipf, Vorsitzender des Deutschen Altphilologenverbandes (DAV) in Berlin. Ganz deutlich sei dieser Zusammenhang etwa in Baden-Württemberg: Weil die Kinder dort seit einigen Jahren von der ersten Klasse an Englisch oder Französisch als Pflichtfach haben, sei in der fünften Klasse mehr Raum für das Erlernen einer neuen Sprache.
«Eine allgemeine Wendung hin zum Bewährten» sieht Prof. WilfriedStroh, klassischer Philologe aus München. Ein weiterer Grund ist laut Kipf, dass Latein seinen Ruf als «Auslesefach» verloren habe. Auch die Lehrinhalte wurden modernisiert. «Früher bewegte der Unterricht sich zwischen Grammatik und Krieg - da ging es dann um das römische Mannestum und Ähnliches.» Inzwischen drehten sich die Texte auch um das Alltagsleben der Römer.
Auch der Zugang zu den Traditionen fasziniere die Schüler, sagtUlrike Dörr, stellvertretende Leiterin des Albertus-Magnus-Gymnasiums in Rottweil. Seit 2005 ist die Schule ein «Europäisches Gymnasium». Alle Schüler beginnen in Klasse 5 mit Latein und führen daneben Englisch weiter. In Klasse 8 können sie dann entweder Griechisch oder Französisch hinzuwählen, in Klasse 10 die jeweils andere Sprache.Zugleich kann eine der früh begonnenen Fremdsprachen abgelegt werden. Ergänzt wird das Angebot durch Spanisch, Italienisch und Hebräisch.
Das Nebeneinander von alten und neuen Sprachen ist den Expertenzufolge besonders «bildungswirksam». «Latein kann man betrachten als Modell von Sprache», erläutert Prof. Kipf. Im Lateinunterricht lerne ein Schüler daher nicht nur wichtige grammatischen Begriffe, sondern beim Übersetzen auch Genauigkeit. Die Kompetenzen für andere Sprachenwürden auf diese Weise vorbereitet, sagt Dörr.
Doch Latein hilft nicht nur bei Sprachen. Bezüge zu Geschichte,Religion, Philosophie und auch den Naturwissenschaften weckten das Interesse der Schüler, sagt Ulrike Dörr. «Auch wird ein Zugang zu den Traditionen unserer modernen Welt geschaffen.» Falls Elten sich fragen, welche Sprache für ihr Kind geeignet ist, sollten sie sich laut Kipf vor Augen halten, dass Latein sich am besten an der Schule lernen lasse. Moderne Sprachen seien auch später noch leicht lernbar.
Literatur: Wilfried Stroh: Latein ist tot, es lebe Latein!, ListVerlag, 18 Euro, ISBN-13: 978-3-47178-829-5; Tore Janson: Latein - die Erfolgsgeschichte einer Sprache, Buske Verlag, ISBN-13:978-3-87548-400-7.