Frankreich Frankreich: Ironie und Irrwitz bei der Pariser Haute Couture
Paris/dpa. - Die Pariser Haute Couture lässt sich die Laune nicht verderben. Dem von Unsicherheit und Ängsten geprägten Zeitgeist zum Trotz predigen die Designer auf den noch bis Donnerstag laufenden Defilees für die Saison Frühjahr/Sommer 2003 ein trotziges «Jetzt erst recht». Ironie und Irrwitz, Eleganz und Elan prägen die neuen Kollektionen aus den Maßateliers.
John Galliano war auch dieses Mal das Maß aller Exzesse. Der englische Designer im Modehaus Christian Dior blieb seinem Ruf treu und verwandelte den Laufsteg in eine Bühne für eine spektakuläre Inszenierung, die dieses Mal China zum Thema hatte. Die Gäste erlebten eine Mischung aus Modenschau, Kung-Fu-Vorführung und Akrobatik.
Gallianos Kleider nehmen mittlerweile schier unvorstellbare Dimensionen an. Die Models verschwanden hinter Bergen aus bedruckter Seide, Damast und Brokat, die drapiert, gewickelt und geschichtet wurden, um dann im Begleittext unter der schlichten Bezeichnung «Mantel» aufzutauchen. Silhouetten lösen sich fast völlig auf oder nehmen durch Reifkonstruktionen bizarre Formen an.
Nur an den Eingängen zu den Shows erhält der schöne Schein zuweilen ein paar Kratzer. Bei Christian Dior forderten etwa zwei Dutzend Beschäftigte aus der französischen Textilindustrie den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Vor den Toren von Jean-Paul Gaultier erhoben sich Stimmen gegen den drohenden Krieg im Irak.
Jean-Paul Gaultier untermauerte seine Spitzenstellung unter den Couturiers und verknüpfte Tragbarkeit mit Fantasie. Er begann mit femininen Hosenanzügen, bei denen die Blazer ein tiefes Revers bekommen und mit nur einem Knopf geschlossen werden. Schnell findet der Franzose zu der ihm eigenen Ironie. Seine Models trugen die Jacken dann nicht mehr auf, sondern zweidimensional vor dem Körper. Die Schneiderkunst der Haute Couture macht solche Schnittwunder möglich. Knöpfe, das wichtigste Detail der Saison, bedecken einige Kleidungsstücke so flächendeckend, dass sie wie ein eigenständiger Stoff wirken.
Keine Show und nur noch zehn Modelle - so sah dagegen die Präsentation von Atelier Versace aus. Das Mailänder Modehaus, das in den letzten Saisons mit glamourösen Veranstaltungen neue Defilee- Maßstäbe setzte, lud dieses Mal zu einer Installation in seine Pariser Boutique. «Wenn man die Kleider aus so kurzer Distanz sieht, erhalten sie eine völlig neue Dimension und Tiefe», erklärte Donatella Versace. Branchenkenner vermuten dagegen, dass auch finanzielle Gründe eine Rolle gespielt haben dürften. Schwarz dominiert die Kollektion. Schmale Silhouetten und - bei den langen Roben - ausladende Schleppen bestimmen die Form. Nappaleder und Tüll werden mit Perlenglanz dekoriert.
Mit viel Weiß und Einflüssen aus Indien trat Valentino an. Der Römer integriert Drapierungen, die an Turbane erinnern sollen, in seine Kostümjacken. Die Ärmel enden dabei fast ausschließlich am Ellbogen.
Karl Lagerfelds Sinn für feinsinnigen Humor blitzte bei einem knielangen Bustierkleid durch, auf dem kleine, mit Pailletten gefüllte Plastiktütchen befestigt waren. Seine am Dienstag vorgeführte Chanel-Kollektion kokettiert stark mit Effekten des perfekt Unperfekten. Die Tweedkostüme wirken, als lösen sie sich an den Säumen auf.