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Flatland-BMX: Kunststücke mit wenigen Regeln

Von Aliki Nassoufis 08.10.2008, 07:48

Stuttgart/Wuppertal/dpa. - Bevor die Show losgeht, sitzt Chris Böhm noch ganz ruhig auf seinem Fahrrad. Doch wenige Sekunden später hält ihn nichts mehr auf dem Sattel.

Er balanciert minutenlang auf dem fahrenden Rad, springt von einer Seite des Rahmens zur anderen, schwingt das Rad unter sich hin und her und hüpft mit ihm über die Bühne - während meist nur ein Reifen den Boden berührt. Diese Kunststücke macht Chris Böhm allerdings nicht auf irgendeinem Fahrrad. Der 25-jährige Kinderkrankenpfleger aus Stuttgart ist einer der bundesweit besten BMX Flatland-Fahrer, einer auch in Deutschland immer beliebter werdenden Variante des BMX-Fahrens.

Was aber ist Flatland-BMX genau? «Nachdem sich Ende der 60er Jahre das BMX-Fahren von Kalifornien aus in der ganzen Welt verbreitet hat, sind mit den Jahren immer neue Unterdisziplinen hinzugekommen», erklärt Flo Sailer aus Stuttgart, der selber seit zehn Jahren fährt. Vor allem der sogenannte Freestyle-Bereich brachte viele Neuerungen. Dazu gehört seit mehr als zehn Jahren nun auch Flatland.

Trotz der Gemeinsamkeiten unterscheidet sich das Flatland-BMX deutlich von seiner Mutter-Disziplin. Man kann nämlich nicht einfach ein «normales» BMX-Rad zum Flatland benutzen, stattdessen gibt es dafür eigene Modelle. «Ein Flatland-BMX unterscheidet sich von anderen Freestyle-BMX-Rädern durch ein kürzeres, oft gekreuztes oder gebogenes Ober- und Unterrohr», erklärt Manuel Bernardo aus Wuppertal. Häufig sei auch der Lenker speziell geformt, da er möglichst gerade eine bessere Kontrolle über das Rad ermöglicht.

«Außerdem wird Gewicht gespart, wo es nur geht, zum Beispiel durch möglichst kurze Gabeln ohne Vorlauf, kurze Kurbelarme, extrem kleine Kettenblätter und schmalere Ketten», sagt Bernardo. Besonders auffällig an diesen kürzeren Rädern sind aber die vier sogenannten Pegs. «Das sind die charakteristischen Verlängerungen der Radachsen.» Für die Fahrer sind sie enorm wichtig, stellen sie sich bei ihren Kunststücken doch oft auf diese Pegs und balancieren auf wenigen Zentimetern über den Platz.

Das ist eine weitere Eigenschaft des Flatland-BMX: «Wie der Name schon sagt, spielt es sich nur auf Böden ab», sagt Sailer. «Die sollten möglichst gerade, aber auch nicht zu rutschig oder rau sein.» Deswegen sieht man in zahlreichen Städten Deutschlands Flatlander auf Parkplätzen, in leeren Parkhäusern oder in Innenhöfen trainieren.

Dort stehen dann ganz verschiedene Übungen auf dem Programm. «Es gibt bestimmte Basic-Tricks, die man gerade als Anfänger probiert», sagt Sailer. Je sicherer man dann im Umgang mit dem Rad ist, desto mehr kann man selber experimentieren, so dass die Fahrer ab einem bestimmten Niveau ihre ganz eigenen Tricks haben. Es gibt Fahrer, die beispielsweise viel herumfahren, während andere fast nur an einer Stelle bleiben und dort Kunststücke vollbringen. Außerdem gibt es immer wieder neue Bewegungen wie zum Beispiel das Pushen, bei dem man seinen Körper vordrückt, um noch schneller zu sein.

«Das ist das wahnsinnig Tolle am Flatland-BMX», findet Sailer. «Man ist extrem frei in dem, was man macht, und außerdem hat man nie das Gefühl, dass man ein Ende erreicht hat.» Im Gegenteil: «Die Vielfalt ist groß, man kann sich unheimlich viele Kombinationen ausdenken.» Bernardo kam vor 13 Jahren zum Flatland: «Man lernt seinen Körper durch Flatland erst richtig kennen - und nach langem Training seinen Trick zu schaffen, ist wie ein Sechser im Lotto.»

Rund um BMX: www.born-to-bmx.de

Homepage von Chris Böhm: www.newscoolflatland.de

Agentur für BMX-Kunst: www.fac-agentur.de

Im Vergleich zu anderen BMX-Varianten ist Flatland ungefährlicher, weil es deutlich weniger Sprünge aus Höhen gibt. «Blessuren im Schienbeinbereich sind dennoch relativ häufig, weil man beim Training öfter mal die Kontrolle verliert und auf das Rad stürzt», sagt Fahrer Flo Sailer. Brüche seien aber selten. «Durch die ständigen, eher monotonen Bewegungen, kann es in den Gelenken Verschleißerscheinungen geben.» Daher sollte man Ausgleichssport betreiben, rät Sailer - beispielsweise Fitnesstraining oder Schwimmen.

Für viele Fahrer ist Flatland-BMX eine Lebenseinstellung. «Für mich ist Flatland HipHop, deswegen trage ich coole Klamotten und fahre immer zu Musik», erzählt Fahrer Chris Böhm. Das geht vielen anderen Flatlandern auch so: Auf ihren Internetseiten sieht man, dass sie auf HipHop stehen. «Das ist aber natürlich kein Muss, jeder stylt sich anders - das ist das Individuelle von Flatland», sagt Böhm.