Zwangsversteigerung Zwangsversteigerung: Immobilien "unter dem Hammer" kaufen

Amtsgerichte in Deutschland haben 2013 mehr als 47.000 Immobilien versteigert. Nach Angaben des Ratinger Beratungsunternehmens Argetra waren rund 70 Prozent davon Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser. Wer jedoch glaubt, Top-Immobilien gingen reihenweise zum Schnäppchenpreis weg, irrt sich. „Viele Objekte werden aufgrund der hohen Nachfrage sogar über ihrem Verkehrswert ersteigert“, berichtet Claudia Kammermeier vom Bundesverband deutscher Rechtspfleger.
Für Interessenten komme es darauf an, eine geeignete Immobilie herauszufiltern und sich gründlich darüber zu informieren. Erste Anhaltspunkte lieferten die Bekanntmachungen der Gerichte, die einige Wochen vor dem Termin per Aushang, in der Tagespresse und oft auch im Internet unter www.zvg-portal.de veröffentlicht würden. Anfänger sollten zunächst ein paar Versteigerungen als Beobachter besuchen.
Bieter sollten das Wertgutachten lesen
„Wer mitbieten will, sollte unbedingt das Wertgutachten lesen, dass ein Sachverständiger im Auftrag des Gerichtes erstellt“, rät Claudia Kammermeier. Auf dessen Grundlage werde der Verkehrswert der Immobilie festgelegt. An den Text des Gutachtens gelangen Interessenten entweder auf der Internetseite des versteigernden Gerichtes oder in dessen Geschäftsstelle. Oft hält auch die Gläubigerbank eine Kopie bereit.
Danach sollten Interessenten das Objekt gründlich in Augenschein nehmen. Oft ein schier unüberwindliches Hindernis - denn der Vorbesitzer ist nicht verpflichtet, jemanden einzulassen. „Doch auch von außen gewinnt man wichtige Informationen über Lage und Verkehrsanbindung“, sagt Eva Reinhold-Postina, Sprecherin des Verbandes privater Bauherren (VPB). „Eine ganze Menge verrät auch der äußere Zustand des Hauses.“ Obendrein könne man versuchen, Informationen von Nachbarn zu erhalten.
Reinhold-Postina rät, die Immobilie mit einem Sachverständigen zu besichtigen. „Ein erfahrener Experte kann etwa anhand von Dach und Fassade Rückschlüsse auf Feuchteschäden ziehen. Auch der Zustand der Fenster ist von außen recht gut zu beurteilen.“ Auf diese Weise lasse sich der Investitionsbedarf abschätzen. Dieser wiederum wirke sich auf das Budget aus. „Wenn ich 400.000 Euro habe, aber schon 200.000 für die Sanierung ausgeben muss, bleibt mir nur noch die Hälfte zum Ersteigern übrig“, sagt Reinhold-Postina. Interessenten sollten sich genau überlegen, was ihnen die Immobilie wert ist und dieses Limit auch im Eifer des Bietgefechtes nicht überschreiten.
Apropos Finanzierung: Zum Versteigerungstermin müssen Bieter zehn Prozent des Verkehrswertes hinterlegen - als Verrechnungsscheck oder Bankbürgschaft. Dieser Punkt gestaltet sich für viele schwierig. „Damit eine Bank mitspielt, will sie die Immobilie als Sicherheit haben“, sagt Christian Kraus vom Finanzierungsvermittler Interhyp AG. „Doch die besitzt der Kunde ja noch gar nicht.“
Da obendrein nicht klar sei, wie viel das Haus am Ende koste, seien die Banken sehr zurückhaltend. „Anders sieht die Sache oft aus, wenn jemand nachweist, dass er den Kaufpreis aus eigener Tasche bestreiten kann und nur die Sanierung finanzieren muss“, berichtet Kraus.
Niedrige Sparzinsen, unsichere Krisenzeiten und der Wunsch, Herr im eigenen Haus zu sein – es gibt viele Gründe dafür, in Wohneigentum zu investieren. Gerade in Ballungszentren ist die Nachfrage nach Immobilien immens. Neben Vermögensschutz hoffen viele auch auf eine angemessene Rendite des eingesetzten Kapitals. Die aktuell niedrigen Finanzierungskosten sind dafür eine gute Voraussetzung. Ist Mieten angesichts der hohen Kaufpreise nicht inzwischen günstiger als Kaufen?
Interessant ist ein Vergleich der Vermögensentwicklung. Die ING-Diba hat dazu eine Beispielrechnung erstellt: Danach erwirbt ein Käufer Wohneigentum im Wert von 200.000 Euro. Er bringt 90.000 Euro Eigenkapital in die Finanzierung ein. Mit 20.000 Euro begleicht er die anfallenden Nebenkosten. Er nimmt ein Baudarlehen über 130.000 Euro mit einer Zinsbindung von 15 Jahren auf. Dafür zahlt er 3,4 Prozent Sollzinsen, die Anfangstilgung startet mit zwei Prozent. Die Rechnung unterstellt, dass die gleichen Konditionen in 15 Jahren ebenfalls gelten. Zugleich wird eine jährliche Objektsteigerung von 0,5 Prozent angesetzt.
Der Mieter zahlt für eine vergleichbare Wohnung monatlich 700 Euro Kaltmiete. Unterstellt wird eine jährliche Mietpreissteigerung von 1,5 Prozent. Der Mieter verfügt ebenfalls über Eigenkapital von 90.000 Euro, das er mit einer Verzinsung von durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr anlegt. Abgeltungssteuer fällt nicht an, weil er das Geld geschickt auf seine Familienmitglieder verteilt.
„Bereits im ersten Monat spart der Käufer im Vergleich zum Mieter Geld“, rechnet Franz Lücke vor, Baugeld-Experte der ING-Diba. Er zahlt nur 585 Euro Kreditrate statt 700 Euro Miete. Wegen der Mietsteigerung wird der Abstand im Lauf der Jahre noch größer. „Bei der anvisierten Mietpreisverteuerung von 1,5 Prozent pro Jahr wird die Miete in 30 Jahren auf fast 1.100 Euro gestiegen sein“, sagt Lücke. Über 315.000 Euro hat der Mieter insgesamt an seinen Vermieter gezahlt. Demgegenüber steht der Wert seines Sparguthabens, das nunmehr 189.000 Euro beträgt. Unterm Strich hat der Mieter also einen Verlust von 126.000 Euro erzielt.
Und wie sieht es beim Immobilienkäufer aus? Der Immobilienwert ist inzwischen auf 232.280 Euro geklettert, zudem hat er über die Jahre rund 104.000 Euro weniger an monatlicher Belastung gezahlt als der Mieter. Diese Summe ist ausreichend, um so manche Reparatur oder Modernisierung am Eigenheim zu bezahlen.
Am Tag der Versteigerung gilt es, den Personalausweis nicht zu vergessen, pünktlich zu sein und von der ersten Minute an die Ohren zu spitzen: „Gleich zu Beginn wird bekanntgegeben, wer welche Forderungen geltend macht“, sagt Claudia Kammermeier. „Bieter sollten sich vor allem dafür interessieren, ob sie Rechte an der Immobilie übernehmen müssen“. Dies könnten etwa im Grundbuch eingetragene Wohn- und Wegerechte aber auch eine Grundschuld sein. Deren Wert werde am Schluss zum Höchstgebot addiert.
Dann beginnt die Versteigerung. Interessenten haben mindestens 30 Minuten Zeit, Gebote abzugeben. „Im besten Fall erhält der Meistbietende den Zuschlag sofort“, sagt Kammermeier. Liegt das Höchstgebot unter 50 Prozent des Verkehrswertes, werde der Zuschlag versagt und ein neuer Termin anberaumt, bei dem die Obergrenze wegfällt. Liegt das Höchstgebot unter 70 Prozent, hat der Gläubiger das Recht, einen Zweittermin zu beantragen. Er kann sich auch eine Bedenkzeit ausbitten. Dann muss der Höchstbietende ein bis zwei Wochen auf die Entscheidung warten, kann bis zum Verkündungstermin aber selbst nicht mehr zurücktreten.
Alle Rechte und Pflichten gehen mit dem Zuschlag - nicht erst mit der Grundbuchänderung - auf den neuen Eigentümer über. Dieser muss sich dann unter anderem sofort darum kümmern, die ersteigerte Immobilie zu versichern. Was aber, wenn der bisherige Eigentümer sich weigert auszuziehen? Claudia Kammermeier: „In vielen Fällen sind starke Nerven gefragt. Lässt sich keine Eingung erzielen, kann der neue Eigentümer die Immobilie zwangsräumen lassen.“ Sind Haus oder Wohnung vermietet, dürfe der neue Eigentümer Mietern zum nächstmöglichen Zeitpunkt mit drei Monaten Frist kündigen. (dpa)