Schritt-für-Schritt-Anleitung Probleme bei Schadenregulierung: Was Versicherte tun können
Wenn die Versicherung nach einem Schaden nicht zahlt, hilft oft ein klarer Fahrplan. Was Versicherte Schritt für Schritt tun können – von Nachfragen bis zur Ombudsfrau.

Mannheim/Hamburg - Ein Schadenfall ist eingetreten, man meldet ihn der Versicherung. Die wiederum meldet sich womöglich nicht zurück und leistet auch nicht. Zwar gibt es Julia Alice Böhne vom Bund der Versicherten zufolge keine bestimmte Frist, innerhalb derer ein Versicherer zahlen muss. Andererseits dürfe ein Versicherer eine Leistungsprüfung aber auch nicht unnötig in die Länge ziehen.
Für Versicherte kann eine solche Hängepartie aber mindestens nervenaufreibend sein. Was also können Betroffene tun? Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Schritt 1: Versicherungsvertrag lesen
Versicherungsnehmerinnen und -nehmern sei im Alltag oft gar nicht bewusst, gegen welche Gefahren sie eigentlich versichert sind und gegen welche nicht. Das sagt Prof. Oliver Brand, Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität Mannheim. Daher sollten sie spätestens im Schadenfall den Versicherungsvertrag noch einmal in Ruhe durchlesen und überprüfen, ob die Versicherung überhaupt für den eingetretenen Schaden aufkommen muss – und wenn ja, in welchem Umfang.
„Sind die Vertragsbedingungen in schwer verständlichem Juristendeutsch abgefasst, können Chatbots wie ChatGPT helfen, dass der Text für den Lesenden verständlich wird“, so Brand.
Versicherungen wie etwa die Gebäudeversicherung leisten oft nicht, wenn der Schaden durch grobe Fahrlässigkeit des Versicherten zustande gekommen ist. Zum Beispiel, wenn man die Wohnung verlässt und vergessen hat, den Herd auszustellen. Kommt es zu einem Brand, stehen Betroffene mitunter schutzlos da.
Mann kann sich aber auch gegen Schäden, die durch grobe Fahrlässigkeit entstehen, zu versichern. Eine solche Klausel lässt sich Brand zufolge oft auch noch nach Vertragsschluss vereinbaren.
Schritt 2: Sachbearbeiter bei der Versicherung kontaktieren
Stellt sich heraus, dass man tatsächlich gegen den eingetretenen Schaden abgesichert ist, die Versicherung sich bislang aber nicht zur Schadenmeldung geregt hat, ist in vielen Fällen die einfach Nachfrage der beste Weg. Also zunächst den zuständigen Sachbearbeiter oder die zuständige Sachbearbeiterin formlos zu kontaktieren. In sachlichem Ton sollte man sich dann nach dem Bearbeitungsstand erkundigen. „Das ist etwa telefonisch oder per Mail möglich“, sagt Brand.
Schritt 3: Der Versicherung eine Frist setzen
Lassen Rückmeldung oder Zahlung der Versicherung weiter auf sich warten, sollte man der Versicherung schriftlich eine Frist von nicht weniger als 14 Tagen setzen, rät Brand.
Schritt 4: Versicherungsombudsfrau einschalten
Bestehen die Probleme bei der Schadenregulierung fort und sind die Fronten zwischen Versicherungsnehmer und Versicherung verhärtet, kann man sich an die Versicherungsombudsfrau wenden. Derzeitige Leiterin der Ombudsstelle, in der Versicherungskaufleute und Volljuristen tätig sind, ist Sibylle Kessal-Wulf.
Die Versicherungsombudsfrau vermittelt bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einer versicherten Person und einem Versicherungsunternehmen oder einem Versicherungsvermittler. Das gilt für fast alle Sparten. „Die Versicherungsombudsfrau ist allerdings nicht für die private Krankenversicherung zuständig“, sagt Julia Alice Böhne. Hierfür gibt es eine eigene Schlichtungsstelle.
Das Verfahren bei der Versicherungsombudsfrau erfolgt außergerichtlich und ist für Verbraucherinnen und Verbraucher kostenfrei. Ihrer Beschwerde sollten Versicherte zumindest folgende Unterlagen in Kopie beifügen:
- Versicherungsschein
- Versicherungsbedingungen
- Vollständiger Schriftwechsel mit dem Versicherer
- Gegebenenfalls Schadenanzeige, Fotos, Gutachten und andere Belege
Am besten nutzen Versicherte das Beschwerdeformular auf der Website, empfiehlt Julia Alice Böhne. Dort sind alle Angaben zu finden, die die Ombudsfrau für das Schlichtungsverfahren benötigt. „Die durchschnittliche Dauer des Verfahrens bei der Ombudsfrau liegt bei etwa drei Monaten, abhängig von der Komplexität des Falls.“
Aber sind die Versicherer auch verpflichtet, sich an die Empfehlung der Versicherungsombudsfrau zu halten? „Bei einem Streitwert bis 10.000 Euro ist die Entscheidung für den Versicherer bindend“, sagt Böhne. Bei darüber liegenden Summen sei die Empfehlung nicht verpflichtend, werde aber häufig dennoch beachtet.
Verbraucherinnen und Verbraucher müssen dagegen die Entscheidung der Ombudsfrau nicht akzeptieren. Ihnen stehen weitere Optionen offen.
Schritt 5: Vorstandsbeschwerde einreichen oder Klage erheben
Angenommen, in einem Fall ist die Empfehlung der Versicherungsombudsfrau zugunsten der Versicherung ausgefallen. Wenn sich Versicherte dennoch im Recht wähnen, sollten sie sich für ihr weiteres Vorgehen von einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt für Versicherungsrecht beraten lassen. Dann können sie zum Beispiel eine Beschwerde beim Vorstand der Versicherung einreichen.
Eine Vorstandsbeschwerde ist aus Sicht von Brand „ein scharfes Schwert“. Man sollte in dieser Beschwerde gut begründen, warum man der Auffassung ist, dass die Versicherung im Unrecht ist. „Sie taugt nicht für Bagatellsachverhalte“, so Brand.
Die andere Option ist, dass Versicherte Klage vor Gericht erheben - sofern sie den Fall mit einer Anwältin oder einem Anwalt besprochen haben.