Private Vorsorge gescheitert? Private Vorsorge gescheitert?: Kündigungswelle bei Riester-Verträgen

Die Nullzinsphase und anhaltende Negativschlagzeilen bringen das Geschäft mit Riester-Verträgen endgültig zum Erliegen. Im ersten Quartal sind erstmals mehr Policen gekündigt als abgeschlossen worden. Damit wächst der politische Druck für eine grundlegende Reform der privaten Vorsorge. „Es ist Zeit für eine kritische Revision“, sagte Grünen-Rentenexperte Markus Kurth dieser Zeitung: „Wir brauchen besser heute als morgen einen Neustart.“ Auch SPD-Fraktionsvize Carola Reimann gesteht: „Die Erwartungen haben sich nicht erfüllt.“
Nach der aktuellen Statistik des Bundessozialministeriums ist die Zahl der Riester-Verträge in den ersten drei Monaten des Jahres um rund 1000 auf 16,481 Millionen zurückgegangen. Für jede fünfte Police werden zudem keine Beiträge mehr gezahlt. Bereits seit 2013 schrumpft die Zahl der klassischen Riester-Versicherungen. Bislang war der Einbruch jedoch stets durch Zuwächse beim Absatz von geförderten Investmentfonds und Wohn-Riester-Verträgen überkompensiert worden. Nun geht erstmals die Zahl der Menschen, die privat fürs Alter vorsorgen, insgesamt zurück.
Forderung nach Basisprodukt
„Die Mechanik des Walter Riester – sinkendes Rentenniveau hier, stärkere private Vorsorge dort – geht erkennbar nicht auf“, sagte Kurth. Er fordert „ein öffentlich verwaltetes Basisprodukt, das als bessere Alternative neben die häufig intransparenten und teuren bisherigen Riester-Produkte tritt“. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hingegen gibt der Politik die Mitschuld. Zum einen hätten viele Sparer bereits einen Riester-Vertrag, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland der Berliner Zeitung: „Zum anderen wächst ganz offensichtlich die Zahl der Menschen, die durch die zum Teil unsachlich geführte Rentendebatte verunsichert sind.“
Kritik an Seehofer
Große Irritation bei den Bürgern stellt auch SPD-Frau Carola Reimann fest. Dazu habe CSU-Chef Horst Seehofer beigetragen, der die Riester-Rente für gescheitert erklärte. Reimann warnt vor Panik: „Die Rendite der Riester-Verträge ist durch die staatliche Förderung immer noch höher als bei anderen vergleichbaren Produkten.“ Eine voreilige Kündigung, so die Politikerin, sei „auf jeden Fall zum Schaden des Kunden“.
Was für den Einzelnen rentabel ist, muss sozialpolitisch aber nicht sinnvoll sein. So gerät das Riester-Sparen durch die aktuellen Zahlen weiter unter Druck. Während die Versicherer bessere Rahmenbedingungen für die private Altersvorsorge fordern, setzt die große Koalition statt dessen auf eine Stärkung der Betriebsrenten: „Wenn eine Säule schwächelt, muss man die beiden anderen umso stärker machen“, erklärte Reimann. Ähnlich äußerte sich Unions-Rentenexperte Peter Weiß (CDU): „Im Vordergrund steht nun eine Reform der betrieblichen Altersvorsorge, für die man auch die Riester-Förderung nutzen sollte.“
Sowohl das Sozial- wie das Finanzministerium haben von Experten Vorschläge für eine Stärkung der Betriebsrenten erarbeiten lassen. In Regierungskreisen wird noch vor der Sommerpause mit einem gemeinsamen Vorschlag gerechnet.