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Doppeldeutig formuliert Doppeldeutig formuliert: So lesen Sie das Arbeitszeugnis richtig

18.11.2014, 08:29
Was will mir mein Arbeitgeber sagen? Die vielen Formulierungen in Arbeitszeugnissen sorgen bei Mitarbeitern leicht für Verwirrung.
Was will mir mein Arbeitgeber sagen? Die vielen Formulierungen in Arbeitszeugnissen sorgen bei Mitarbeitern leicht für Verwirrung. dpa Lizenz

Bekommen Mitarbeiter ein Arbeitszeugnis, müssen sie zwischen den Zeilen lesen. Denn nur, weil die Bewertung vom Chef gut klingt, müsse sie noch lange nicht gut sein, sagt Günter Huber. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Autor des Buches „Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis“. Verlassen Berufstätige ihr Unternehmen, zum Beispiel bei einem Jobwechsel, haben sie Anspruch auf ein solches Arbeitszeugnis (Paragraf 109 Gewerbeordnung).

Doch worauf sollten Berufstätige beim Zeugnis achten? Und wie können sie die Formulierungen richtig durchschauen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis

In einem einfachen Arbeitszeugnis stehen lediglich die persönlichen Daten und die Dauer der Beschäftigung. Ein qualifiziertes Zeugnis hingegen enthält eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Arbeitnehmer können sich für eine der beiden Varianten entscheiden. Huber rät allerdings zu einem qualifizierten Zeugnis. „Bei einem einfachen vermutet man automatisch, dass der Mitarbeiter schlecht war.“

Formulierungen in Schulnoten übersetzt

Die Formulierung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ ist gleichbedeutend mit der Schulnote „sehr gut“. Dabei kann das „stets“ auch mit den Worten „immer“ oder „jederzeit“ ausgetauscht sein. Um ein „gut“ handelt es sich beim Ausdruck „stets zur vollen Zufriedenheit“. Arbeitnehmer, die die Worte „zur vollen Zufriedenheit“ in der Bewertung finden, haben nur ein befriedigendes Zeugnis bekommen. Wer sich „stets bemüht“ hat, die Anforderungen zu erfüllen, hat die schlechteste der möglichen Beurteilungen erhalten.

Beurteilungen, die nicht fehlen sollten

„Wird bei einem Manager lediglich betont, dass er immer pünktlich war, stimmt etwas nicht“, erklärt Huber. Denn im Zeugnis sollten die Leistungen bewertet werden, die maßgeblich für den ausgeübten Job sind. Kommen in der Beurteilung stattdessen ganz nebensächliche Eigenschaften und Tätigkeiten vor, ist das ein Hinweis auf ein schlechtes Zeugnis.

Absichtlich zweideutige Formulierungen

Steht im Zeugnis, dass sich jemand gut mit den Kollegen verstanden hat, klingt das erst einmal positiv. Doch so eine Formulierung kann bedeuten, dass der Mitarbeiter geschwätzig war oder sich im Betriebsrat engagiert hat. „Solche Aussagen werden allerdings relativiert, wenn außerdem hervorgehoben wird, dass das Verhalten des Mitarbeiters stets einwandfrei war“, erklärt Huber. Angestellte, die sich nur „stets einwandfrei gegenüber Kollegen“ verhalten haben, sollten sich über diese Einschätzung allerdings nicht freuen. Denn was ist mit dem Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Geschäftskunden?

„Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“ Gemeint ist: „Er neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss“.

„Herr Y trat engagiert für die Interessen seiner Kollegen ein.“ Gemeint ist: „Herr Y ist Betriebsratsmitglied.“

„Herr Y erledigte alle Arbeitsaufgaben mit großem Fleiß.“ Gemeint ist: „Eifer ja, aber ohne Erfolg.“

„Herr Y galt im Kollegenkreis als toleranter Mitarbeiter.“ Gemeint ist: „Für seine Vorgesetzten ein harter Brocken.“

„Für die Belange der Mitarbeiter bewies er immer Einfühlungsvermögen.“ Gemeint ist: „Sucht ständig Kontakte sexueller Art mit anderen Beschäftigten.“

Was der Schlusssatz bedeutet

Eine fehlende Dankesformel am Ende kann das Zeugnis abwerten. Steht am Schluss „Wir wünschen Herrn Schmidt viel Erfolg für die Zukunft“, hört sich das zwar gut an. Besser wäre allerdings, wenn der Vorgesetzte Herrn Schmidt „weiterhin viel Erfolg“ wünschen würde. (dpa)