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Debatte um schärfere Regeln Regelsatz, Sanktionen, Vermögen: Alle Infos zum Bürgergeld

Das Bürgergeld kommt den Staat immer teurer zu stehen. Appelle zum Sparen und für mehr staatliche Härte werden immer wieder laut. Doch welche Sanktionen sind überhaupt möglich?

Von DPA/DUR Aktualisiert: 04.09.2024, 12:00
Das Bürgergeld muss beim Jobcenter beantragt werden. Es dient als finanzielle Unterstützung, um das Existenzminimum zu sichern.
Das Bürgergeld muss beim Jobcenter beantragt werden. Es dient als finanzielle Unterstützung, um das Existenzminimum zu sichern. Foto: Jens Kalaene/dpa

Berlin. - Sollen Arbeitslose einen weit entfernten Job annehmen müssen, bevor sie Bürgergeld erhalten können? Sollen Bürgergeldempfänger die Sozialleistung gestrichen bekommen, wenn sie eine zumutbare Arbeit ablehnen? Ist das Bürgergeld zu hoch? Um diese und ähnliche Fragen kreist die Debatte um den Hartz-IV-Nachfolger immer wieder.

Hier gibt es die wichtigsten Infos rund um das Bürgergeld:

Wer hat in Deutschland ein Recht auf Bürgergeld?

Erwerbsfähige und leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger: Man muss mindestens 15 Jahre alt und noch nicht im Rentenalter sein, in Deutschland wohnen, mindestens drei Stunden täglich arbeiten können und hilfebedürftig sein.

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Das heißt: Wer mit dem eigenen Einkommen unter dem Existenzminimum landet und den Lebensunterhalt nicht ausreichend bestreiten kann. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld bekommen - wenn er oder sie mit jemand Erwerbsfähigem in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft lebt.

Wie hoch ist das Bürgergeld?

Der Regelsatz des Bürgergeldes umfasst die Kosten für Bedarfe des täglichen Lebens, vor allem für Ernährung, Kleidung, Hausrat und Strom. Er wird anhand statistisch erfasster Daten von rund 60.000 Haushalten berechnet, die Höhe orientiert sich an den unteren 20 Prozent der Haushalte.

Folgende Regelsätze für das Bürgergeld gelten 2024:

  • 563 Euro im Monat für Alleinstehende und Alleinerziehende
  • 506 Euro für volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft
  • 471 Euro für Personen unter 25 Jahren, die ohne Erlaubnis des Jobcenters umziehen
  • 451 Euro für Volljährige unter 25 Jahren, die im Elternhaus leben
  • 471 Euro für Jugendliche von 14 bis 17 Jahre
  • 390 Euro für Kinder von sechs bis 13 Jahre
  • 357 Euro für Kinder von null bis fünf Jahre

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Lohnt Arbeit mit Bürgergeld überhaupt?

Meist ja, aber nicht immer. Wenn Bürgergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld zusammenkommen, man in einem größeren Haushalt, einer größeren Bedarfsgemeinschaft lebt und eine bestehende Beschäftigung ausweitet - dann lohnt sich Mehrarbeit oft nicht.

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So zeigt ein Gutachten der Institute Ifo (München) und ZEW (Leipzig) im Auftrag der Regierung etwa den geringen Vorteil von Mehrarbeit für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. Bei einem Arbeitslohn von 1.000 Euro kommt sie auf insgesamt 2.823 Euro - bei 1.500 Euro brutto auf nur wenig mehr, nämlich 2.907 Euro. 

Wird beim Bürgergeld auch die Miete bezahlt?

In der Regel übernimmt das Jobcenter bei Bürgergeldempfängern auch die Kosten für Unterkunft und Heizung - allerdings nur in angemessener Höhe. Das Jobcenter achtet darauf, dass die Mietkosten und die Größe Ihrer Unterkunft bestimmte Richtwerte nicht überschreiten.

Das führt mitunter dazu, dass Bürgergeldempfänger aus eigener Tasche einen Teil der Kosten für Miete und Heizung zahlen müssen - zum Beispiel aus ihren Ersparnissen oder dem Bürgergeld-Regelsatz.

Wie viel Vermögen darf man als Bürgergeldempfänger haben?

Bürgergeld bekommen nur hilfebedürftige Personen. Das heißt, wer noch Vermögen hat, muss zuerst dieses nutzen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Beim Vermögen berücksichtigt das Jobcenter das eigene verwertbare Vermögen und das der Bedarfsgemeinschaft.

Im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs wird das Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Dies trifft zu, wenn die erste leistungsberechtigte Person in der Bedarfsgemeinschaft mehr als 40.000 Euro Vermögen hat. Für jede weitere Person ist dies bei 15.000 Euro der Fall.

Nach dieser Karenzzeit gibt es einen Freibetrag. Er liegt bei 15.000 Euro für jede Person, die in der Bedarfsgemeinschaft lebt.

Darf der Staat das Bürgergeld beliebig kürzen?

Nein. In einem Grundsatzurteil verwies das Bundesverfassungsgericht 2019 auf das Grundgesetz: Die Ausgestaltung der Grundsicherung ergibt sich demnach aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Denn staatliche Verpflichtung ist es, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Der Staat hat folglich den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen. 

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Seine sozialen Leistungen darf er daran knüpfen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können, und an aktive Mitwirkung. Auch Sanktionen sind erlaubt.

Aber: Der Staat muss laut Karlsruhe strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit beachten. Nicht zu beanstanden ist laut den Richtern eine Leistungsminderung von 30 Prozent, bis ein Betroffener wieder mitwirkt. 

Darf der Staat das Bürgergeld vollständig streichen?

Karlsruhe setzt dem enge Grenzen. Der vollständige Wegfall ist „auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar“, heißt es im Urteil.

„Es liegen keine tragfähigen Erkenntnisse vor, aus denen sich ergibt, dass ein völliger Wegfall von existenzsichernden Leistungen geeignet wäre, das Ziel der Mitwirkung an der Überwindung der eigenen Hilfebedürftigkeit und letztlich der Aufnahme von Erwerbsarbeit zu fördern.“

Welche Mitwirkungspflichten haben Bürgergeldempfänger?

Den Antrag auf Bürgergeld muss man persönlich stellen. Alle Angaben müssen korrekt gemacht, Urkunden und Bescheinigungen vorgelegt, Änderungen mitgeteilt werden. Wird man krank, muss man am dritten Tag ein Attest vorlegen.

Wie viel braucht man zum Leben? Immer wieder wird über die Höhe des Bürgergelds debattiert. 
Wie viel braucht man zum Leben? Immer wieder wird über die Höhe des Bürgergelds debattiert. 
Foto: Hannes P. Albert/dpa

Die Hilfebedürftigen müssen an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken und sich auf Verlangen bewerben. Es gilt die Verpflichtung, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, zu der man in der Lage sind.

Welche Sanktionsmöglichkeiten gibt es?

Bei Pflichtverletzungen werden die Leistungen gekürzt - in Schritten um bis zu 30 Prozent. Jobcenter sollen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate auch komplett streichen können, wenn die Betroffenen die Aufnahme einer Arbeit nachhaltig verweigern. Dies gilt seit März und war zur Schließung von Finanzierungslücken beschlossen worden.

Wie viel sollen die jüngsten Verschärfungen einsparen?

Durch stärkere Sanktionen für „Totalverweigerer“ werden Minderausgaben von 150 Millionen Euro erwartet. Gleichzeitig wurden 500 Millionen Euro beim Bürgergeld weniger veranschlagt als ursprünglich geplant, weil Geflüchtete durch den sogenannten „Job-Turbo“ schneller in Arbeit finden sollen. Vergangenes Jahr gab Deutschland etwa 42,6 Milliarden Euro für Bürgergeld aus, nach 36,6 Milliarden im Vorjahr. 

Welche Verschärfungen sind beim Bürgergeld vorgesehen?

Mit ihrer im Juli 2024 auf den Weg gebrachten Wachstumsinitiative einigten sich SPD, Grüne und FDP auf einige Punkte: Eine tägliche Pendelzeit zur Arbeit von 2,5 Stunden bei einer Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden und von drei Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden soll als zumutbar gelten.

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Für Fälle von Ablehnung einer zumutbaren Arbeit soll eine einheitliche Sanktionshöhe und -dauer von 30 Prozent für drei Monate eingeführt werden, bei Meldeversäumnis für einen Monat. Wirkt der Betroffene wieder mit, soll die Sanktion enden. Bei Schwarzarbeit soll die Leistung um 30 Prozent gekürzt werden können. 

Verschärft werden sollen auch bestehende Regelungen für das Schonvermögen. Bisher müssen die Jobcenter im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs nur erhebliches Vermögen berücksichtigen. Diese Karenzzeit soll auf ein halbes Jahr verkürzt werden.

Totalverweigerer sollen verstärkt Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) annehmen müssen. Die Regierung will die Änderungen im zweiten Halbjahr 2024 im Kabinett beschließen.

Steigt das Bürgergeld kontinuierlich weiter?

Nein. 2025 müssen sich Empfänger auf eine mögliche Nullrunde einstellen. Das sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im September 2024. Bei hoher Inflation müssten auch die Regelsätze entsprechend angepasst werden. Nun sei die Teuerungsrate aber kräftig gesunken. Deshalb sei der Rechtsmechanismus so, dass es Anfang 2025 keine Erhöhung beim Bürgergeld geben werde. „Das ist auch richtig so“, sagte der Minister.

Warum gingen die Zahlen beim Bürgergeld in den vergangenen Jahren nach oben?

„Der Anstieg der vergangenen zwei Jahre ist maßgeblich auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zurückzuführen“, sagte Dirk Heyden, Chef des größten deutschen Jobcenters in Hamburg, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Über eine Million Menschen seien seither nach Deutschland gekommen.

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Heyden machte auch den Krieg für die zurückliegende hohe Inflation und dadurch steigende Hilfebedürftigkeit verantwortlich.