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Vollbremsung ohne Grund Auffahrunfall: Wer haftet wenn der Vordermann stark bremst?

04.09.2020, 04:00
Die Schuldfrage ist bei Auffahrunfällen nicht immer direkt klar.
Die Schuldfrage ist bei Auffahrunfällen nicht immer direkt klar. dpa

Köln - Die Straße ist frei, der Abstand zum nächsten Auto im einen Moment noch ausreichend. Doch nach einem kurzen Blick in den Rückspiegel kommen die roten Rücklichter des Vordermanns plötzlich gefährlich nah. Und näher. Und dann ist es zu spät zum Abbremsen. Aber wenn der Vordermann auf der Landstraße ohne zwingenden Grund stark abbremst und der Fahrer dahinter in der Folge auffährt, dann ist doch der vorausfahrende Pkw Schuld – oder?

Der sogenannte Anscheinsbeweis sagt das Gegenteil: Beim Auffahrunfall ist der Auffahrende in der Regel Schuld. Auch, wenn der Vorausfahrende plötzlich stark bremst, muss der Hintermann eventuell mithaften. Der Anscheinsbeweis kann zwar widerlegt werden. Doch allein das Bremsmanöver ist dafür nicht unbedingt ausreichend. Es kommt auf den Einzelfall an.

Gericht beurteilt die Lage individuell

Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken. Vor einem Tempo-50-Schild bremste ein Autofahrer auf der Landstraße zunächst stark auf 50 km/h ab, kam anschließend aber nahezu zum Stillstand – so jedenfalls die Aussage des Klägers, der seinem Vordermann auffuhr und die Hälfte seines Schadens ersetzt bekommen wollte.

Dem stimmte das Gericht zu. Es war überzeugt davon, dass der Vorausfahrende eine Vollbremsung hingelegt und die Nachfolgenden damit stark gefährdet hatte. Diese hätten damit nicht rechnen müssen – oder vielmehr: können.

Zeugen könnten entscheidend sein

Doch selbst dieser Fall kann den sogenannten Anscheinsbeweis nicht ganz erschüttern, so das Gericht. Starkes Bremsen sei kein komplett atypischer Verlauf. Weil er nicht genug Sicherheitsabstand gehalten habe, müsse der Auffahrende zur Hälfte mithaften – was letztlich seine Klage aber erfolgreich machte.

Ob der Anscheinsbeweis gänzlich wegfallen kann, muss ebenfalls individuell beurteilt werden. Das könne beispielsweise der Fall sein, wenn ein Vorausfahrender bei grüner Ampel stark abbremst. Relevant wird der Anscheinsbeweis aber vor allem dann, wenn sich der Hergang eines Unfalls nicht mehr exakt ermitteln lässt. (dpa/sob)