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Familien im Stress - Eltern sind oft überlastet

Von Andreas Heimann 02.01.2008, 08:16

Berlin/dpa. - Ganz stressfrei geht es in keiner Familie zu. Manchmal aber erreicht die Überforderung die Schmerzgrenze. «Eltern-Burnout» wird das Phänomen genannt. Bei Familienstress kommt vieles zusammen, sagt Bettina Mähler aus Gelnhausen bei Frankfurt/Main.

Dabei gehe es oft weniger um objektive Faktoren als um subjektive Wahrnehmung. «Eltern sehen ihre Rolle heute ganz anders als früher» «Früher sind Kinder einfach mitgelaufen, und man hat sich nicht so viele Gedanken gemacht», erzählt die Lehrerin, die lange Elternkurse gegeben hat. «Heute ist Elternsein mit großen Erwartungen befrachtet, es gibt einen enormen Perfektionsdruck.»

Denn oft ist die Realität grauer als das farbenfrohe Bild, das vom Familiendasein in der Öffentlichkeit gemalt wird: «Da sind immer alle ausgeschlafen und gut gelaunt, die Wohnung ist sauber und aufgeräumt», sagt Mähler. Umso größer ist der Kontrast beim Blick ins reale Kinderzimmer. Viele Kinder seien außerdem schwieriger als früher. «Und sie treten ihren Eltern gegenüber anders auf.»

Ein buchstäblicher Burnout, bei dem ein Elternteil psychisch und physisch zusammenbricht, sei zwar selten, sagt Mähler. Stress bis an die Belastungsgrenzen gebe es aber in vielen Familien. «Je nach Alter des Kindes gibt es unterschiedliche Stressoren», ergänzt Julia Scharnhorst vom Vorstand des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) in Berlin. Junge Eltern mit kleinen Kindern seien oft gestresst, wenn sie nachts wenig Schlaf bekommen und das Baby auch tagsüber viel schreit.

«Schon das Stillen ist nachts kein Spaß, die Kinder zu füttern auch nicht immer. Dann kommen die Zähne, später die Kinderkrankheiten», sagt Bettina Mähler. Für Eltern heißt das oft genug Schlafentzug. Und das sind nur die alltäglichen Probleme: «Frühgeburten sind heute häufiger», sagt Andreas Engel, Leiter einer Erziehungsberatungsstelle in Hof. «Aber auch Ernährungsstörungen bei Kindern haben zugenommen.» Und auch Schreikinder sind häufiger als früher ein Problem.

Es gibt Warnsignale, die auf eine Überforderung hindeuten: «Dazu gehört, wenn Eltern eine ständige Rastlosigkeit empfinden und das Gefühl haben, nur noch von Termin zu Termin zu hetzen», sagt Ulrich Gerth, Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung in Fürth. «Oder wenn sie das Gefühl haben, sich dauernd anzustrengen, aber es reicht immer nicht.» Ein Warnhinweis ist auch, wenn ein Elternteil beginnt, gleichgültig zu werden, sagt Julia Scharnhorst.

Wer solche Tendenzen bemerkt, muss gegensteuern. Entscheidend sei, den Teufelskreis zu unterbrechen, nach dem Stress zu Überforderung und Überforderung zu noch mehr Stress führt, sagt Julia Scharnhorst. Schon die Pause, die eine Kur bietet, könne eine Hilfe sein. «Eltern müssen sich Entlastung suchen, Möglichkeiten, die Kinder zumindest zeitweise von anderen betreuen zu lassen», rät die Psychotherapeutin.

Raus aus der Dauerbelastung ist auch die Empfehlung von Bettina Mähler: «Eltern müssen regelmäßig etwas ohne Kinder machen.» Sinnvoll sei, sich wenigstens einen Termin pro Woche freizuhalten und sich einen ruhigen Abend zu gönnen. Wichtig seien Kontakte zu anderen Eltern und zu den Nachbarn. Denn wer Stress hat und niemanden, der einem hilft oder zuhört, hat es doppelt schwer, sagt Mähler: «Wer den ganzen Tag immer nur mit dem Kind zusammen ist, empfindet das wie Isolationsfolter.»

Literatur: Bettina Mähler: Eltern-Burnout, rororo, ISBN 978-3-499-61990-8, 8,90 Euro; Susanne Strobach, Christian Strobach: Eltern im Burnout, Goldegg, 978-3-901-88090-2, 23,30 Euro