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Familienleben in Sachsen-AnhaltWie Eltern in Brachwitz und Magdeburg ihre Region familienfreundlicher machen

Bewegung an der frischen Luft, Veranstaltungen für Groß und Klein: Freizeitaktivitäten haben für Familien in Sachsen-Anhalt einen hohen Stellenwert. Eine Umfrage zeigt jedoch, dass es in vielen Orten an Angeboten mangelt. Manche Eltern werden nun selbst aktiv.

Von Max Hunger 21.10.2023, 10:15
Zum Frühlingskonzert mit Toni Geiling in Brachwitz kamen rund 300 Gäste – darunter vor allem Eltern mit ihren Kindern.
Zum Frühlingskonzert mit Toni Geiling in Brachwitz kamen rund 300 Gäste – darunter vor allem Eltern mit ihren Kindern. (Foto: Frank Embacher-Beck)

Brachwitz/Magdeburg/MZ - Anke Engel fühlt sich pudelwohl in Brachwitz. Seit 14 Jahren wohnt die Lehrerin mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern nun schon im 1.000-Einwohner-Ort im Saalekreis. Von hier ist man schnell in der Großstadt, schnell im grünen Saaletal. In den vergangenen Jahren seien viele Familien in den Ort gezogen, sagt Engel. Aber da war auch immer etwas, das gefehlt hat. „Es gab ganz, ganz viele Familien, die gesagt haben: Wir brauchen etwas für unsere Kinder.“

Gemeinsames Toben, Picknicken, Feiern, ja Freizeitspaß für Familien eben – all das habe es jahrelang kaum gegeben, sagt die 40-Jährige. Also haben sie und andere Eltern die Sache selbst in die Hand genommen. „Wir machen jetzt die Dinge, die wir selbst vermisst haben.“

Familien-Umfrage: Knapp die Hälfte der Sachsen-Anhalter vermisst Freizeitangebote

Wie den Brachwitzer Eltern geht es vielen Familien im Land. In der Familien-Umfrage der Mitteldeutschen Zeitung und der Magdeburger Volksstimme fällt das Urteil der Sachsen-Anhalter über das Freizeitangebot ihrer Regionen gemischt aus. Während rund ein Drittel ausreichend Platz zum Spielen und Toben sowie saubere Spielplätze loben, mangelt es vielerorts an Freizeitspaß für Kinder. Knapp die Hälfte der Befragten bemängelt fehlende Sportangebote, 43 Prozent vermissen Freizeitangebote für Kinder.

Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
Dieser Text ist Teil der großen Serie: FamilienLeben in Sachsen-Anhalt.
(Grafik: MZ/VS)

Anke Engel will das ändern. Gemeinsam mit einem Team aus etwa zehn Mitstreitern hat sie vor einem Jahr die Freizeitinsel Brachwitz gegründet. Die Elterngemeinschaft will den Ort beleben, Kindern etwas bieten. Die große Wiese im Ort dient der Gruppe inzwischen als Startpunkt für regelmäßige Veranstaltungen. Frühjahrsputz, Kuchenbasar, Familienpicknick oder eine Tour durch das Untere Saaletal unter Führung einer Biologin – regelmäßig lassen sich die Eltern etwas einfallen. „Die Kinder sind aktiv dabei“, betont Engel. Der Höhepunkt bisher: Ein Konzert des Liedermachers Toni Geiling. Über 300 Gäste kamen.

Für die zweifache Mutter hat der Freizeitspaß zudem einen wertvollen Nebeneffekt: „Ich habe so viele Leute kennengelernt.“ Eltern aus dem Ort, mit denen sie in den vergangenen Jahre nie gesprochen habe. Ihr Fazit: „Sowas hat jahrelang kaum stattgefunden. Wir haben festgestellt, dass die Aktionen einen riesigen Mehrwert haben.“

Umfrage in Sachsen-Anhalt: Magdeburg punktet bei Engagement für Familien

In der Familienumfrage liegt der Saalekreis jedoch im unteren Mittelfeld der Regionen in Sachsen-Anhalt. Auf einer Bewertungsskala von 1 bis 5, wobei 5 das Schlechteste ist, erhielt der Landkreis die Note 3,06. Landesweiter Spitzenreiter mit der Note 2,8 beim Engagement für Familien unter den Kreisen und kreisfreien Städten ist Magdeburg. Was macht die Landeshauptstadt besser als andere Gemeinden?

Möglichkeiten in der Natur sind in Magdeburg super.

Inka Feuersenger / Café-Inhaberin

Inka Feuersenger muss es wissen. Die 24-Jährige ist nicht nur Mutter, sondern auch Wahl-Magdeburgerin. „Möglichkeiten in der Natur sind in Magdeburg super“, sagt Feuersenger. Sie lobt etwa die Spielplätze. Aber an Angeboten für Groß und Klein bei Kälte und Regen mangelt es auch hier aus ihrer Sicht. „Es gibt hier weniger Angebote als in anderen Städten.“ Sie wünschte sich etwa einen Ort, „an dem auch die Eltern eine coole Zeit haben können.“ Die gelernte Versicherungskauffrau entschloss sich also, selbst aktiv zu werden.

24-Jährige gründet kinderfreundliches Café in Magdeburg

Im September gründete sie „Mimi's Welt“, ein sogenanntes Kindercafé unweit des Zentrums. Benannt ist es nach ihrer fast zweijährigen Tochter. Die Idee: Eltern sollen hier gemütlich einen Kaffee trinken können, während die Kleinen spielen. Die Zielgruppe sind laut der Inhaberin vor allem Eltern und Großeltern mit Kinder und Enkeln von null bis sechs Jahren, aber auch Menschen ohne Kinder sind willkommen. Im Café liegen reichlich Holzspielzeuge und Bücher für Kinder verschiedenen Alters bereit.

Zudem gibt es Stühle und Sitzsäcke für die Kleinen. Eine zentrale Spielecke gibt es nicht, die Kinder dürfen das ganze Café nutzen. Damit sich die Knirpse dabei nicht den Kopf stoßen, sind alle Tischkanten abgerundet, alle Steckdosen gegen Kinderfinger gesichert. „Da kann nichts passieren.“ Auf der Speisekarte stehen neben Kaffee und Tee unter anderem auch Flammkuchen und Schnittchenplatten – alles vegetarisch oder vegan, vieles ist bio.

Engagement von Eltern in Sachsen-Anhalt zeigt Wirkung

Die Familienumfrage zeigt: Das Engagement für Eltern und Kinder ist in Sachsen-Anhalt insgesamt ausbaufähig. Mit der landweisweiten Durchschnittsnote 3 fällt das Urteil der Befragten hier schlechter aus als in vielen anderen Bereichen – etwa der Kita-Qualität oder dem Wohnumfeld. Der Blick in die Städte und Gemeinden macht aber auch deutlich, dass Engagement vor Ort Wirkung zeigt.

Anke Engel aus Brachwitz etwa meint, dass das Projekt Freizeitinsel den Ort spürbar belebt hat. Über Instagram, das Amtsblatt und gläserne Schaukästen kündigt das Team neue Aktionen an. Das Angebot habe sich etabliert, sie werde inzwischen häufig nach den nächsten Veranstaltungen gefragt, sagt Engel. „Es ist auch ein Beitrag zur Demokratie“, findet sie. Das Netzwerk der Eltern, die Teilhabe am Zusammenleben.

Auch das Kindercafé in Magdeburg hat schon seine Liebhaber gefunden. „Es ist wird gut angenommen“, sagt Inhaberin Inka Feuersenger. Vor allem eher junge Eltern zwischen 20 und 40 nutzten das Café. Die beiden Mütter aus Brachwitz und Magdeburg haben mit ihren Ideen offenbar einen Nerv getroffen.