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Mit Ende 30 noch schwanger Wie Doreen H. aus Magdeburg ihr spätes Mutterglück meistert

Gesellschaftliche Ablehnung und ein erhöhtes Risiko auf Erkrankungen und Komplikationen: Wer mit Ende 30 oder Anfang 40 Mutter werden will, hat es oft nicht leicht. Dabei ist eine Schwangerschaft auch in diesem Alter meist noch möglich – und das Leben mit Kind in mancher Hinsicht entspannter.

Von Helene Kilb Aktualisiert: 14.08.2023, 17:56
In Sachsen-Anhalt liegt das Durchschnittsalter von frischgebackenen  Müttern bei 30 Jahren. Vor 20 Jahren waren sie im Schnitt noch 25,3 Jahre alt.
In Sachsen-Anhalt liegt das Durchschnittsalter von frischgebackenen Müttern bei 30 Jahren. Vor 20 Jahren waren sie im Schnitt noch 25,3 Jahre alt. (Symbolfoto: Imago)

Dass jemand sie für die Großmutter hielt, als sie mit ihrer Tochter unterwegs war, das ist Doreen H. nur einmal passiert. „An diesem Tag sah ich aber auch sehr schlecht aus“, erzählt die 53-Jährige aus Magdeburg. Doch die Situation ist typisch für viele andere Frauen, die erst spät Mutter wurden, sprich: mit Ende 30 oder Anfang 40. In Sachsen-Anhalt etwa haben laut Statistischem Landesamt Frauen im Jahr 2003 ihr erstes Kind durchschnittlich im Alter von 25,3 Jahren bekommen. 2021 waren sie im Schnitt 30 Jahre alt. Auswertungen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass im Jahr 2021 schon vier Prozent aller Babys in Deutschland eine Mutter hatten, die älter als 40 Jahre alt ist.

Bei Doreen H. war die Schwangerschaft nicht geplant: „Zwar wollte ich schon immer vier Kinder haben“, erzählt sie. Aber nachdem sie mit Mitte 20 einen Sohn bekommen hatte, klappte es nicht mehr. „Erst als ich mit 38 Jahren meinen neuen Partner kennengelernt hatte, war ich auf einmal überraschend schwanger. Das war für mich wie ein spätes Geschenk.“

Im Alter nimmt die Fruchtbarkeit ab

Tatsächlich ist die Chance auf eine Schwangerschaft in diesem Alter vergleichsweise gering: „Mit 25 Jahren hat eine Frau in jedem Zyklus eine etwa 25-prozentige Chance, schwanger zu werden“, sagt Heidi Gößlinghoff, die lange als Frauenärztin arbeitete und sich Ende 2022 als Beraterin mit ihrem Internetportal „Leichter schwanger werden“ selbstständig machte, um Menschen mit Kinderwunsch zu unterstützen. „Mit Anfang 30 liegt die Wahrscheinlichkeit nur noch bei 20 Prozent. Und ab 40 wird es noch einmal schwieriger“, sagt Gößlinghoff. „Mit 45 Jahren besteht schließlich nur noch eine Chance von zwei bis fünf Prozent pro Zyklus.“ Schuld daran sind die Zahl und die Qualität der Eizellen: Mit jedem Zyklus befinden sich weniger Eizellen in den Eierstöcken, parallel dazu altern die verbleibenden Eizellen, sodass ihre Qualität insgesamt sinkt.

Gesundheitliche Probleme treten bei späten Müttern häufiger auf

Gleichzeitig steigen die Risiken: „Die Frauen haben vermehrt Grunderkrankungen wie Diabetes oder Gefäßerkrankungen“, sagt die Medizinerin Gößlinghoff. Während der Schwangerschaft seien sie weniger belastbar als jüngere Schwangere. Dazu kommt, dass etwa die Gefahr einer Schwangerschaftsvergiftung, einer Fehl- oder Totgeburt, von genetischen Defekten oder von Geburtskomplikationen erhöht ist.

Frauen, die Probleme beim Schwanger werden haben, kann geholfen werden.
Frauen, die Probleme beim Schwanger werden haben, kann geholfen werden.
(Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

Aufgrund von solchen Wahrscheinlichkeiten machen Frauen schon während ihrer Kinderwunschzeit oft negative Erfahrungen, wie Gößlinghoff berichtet: „In meinen Beratungen habe ich immer wieder Frauen, bei denen der Frauenarzt sagte: „Ich behandle Sie nicht, da kommt nur ein krankes Kind heraus.“ Und auch vom Umfeld schlage den Frauen oft Unverständnis entgegen. „,Bist du wahnsinnig? Du kannst doch dein Kind gar nicht mehr lange begleiten! Das schaffst du doch gar nicht’ – solche Sprüche müssen sich Frauen anhören“ , sagt Gößlinghoff.

Vorfreude aufs Kind hilft

Doreen H. aus Magdeburg hat von ihrem persönlichen Umfeld glücklicherweise nur positive Reaktionen erlebt. Trotzdem findet sie: „Man sollte späten Müttern nicht so viel Angst machen, sondern die positiven Effekte hervorheben und ihnen Mut machen.“ Das bedeute nicht, dass sie die Augen vor den Risiken verschlossen habe. „Aber ich habe mich davon frei gemacht und beschlossen, mich einfach auf das Kind zu freuen.“

Auch die Medizinerin und Kinderwunschberaterin Heidi Gößlinghoff sagt: „Wir leben heute in einer Zeit, in der das Alter als solches nicht unbedingt der ausschlaggebende Punkt ist.“ Wichtiger sei der Gesundheitszustand: „Ideal ist ein Body-Mass-Index zwischen 19 und 24“, sagt Gößlinghoff. „Mit einem höheren Gewicht steigen die Risiken. Ein zu niedriger Wert ist aber genauso kontraproduktiv: Bei sehr schlanken Frauen dauert es meist länger, bis sie schwanger werden.“

Kinderwunschexpertin Dr. Heidi Gösslinghoff
Kinderwunschexpertin Dr. Heidi Gösslinghoff
(Foto: Jessica van Bree)

Daneben kommt es auf die Ernährung an. „Die Art und Weise, wie sich viele Menschen heutzutage ernähren, also mit vielen Aromastoffen, Süßstoffen oder Transfetten, stört die Gesundheit nachhaltig“, sagt Gößlinghoff. „Besser ist es, sich gesund zu ernähren und zum Beispiel viel selbst zu kochen.“ Beim Thema Sport rät sie: „Verletzungsanfällige Sportarten würde ich beim Kinderwunsch weglassen. Alle anderen Sportarten wirken sich in der Regel positiv auf die Fruchtbarkeit aus.“

Lieber früher als später

Worauf Frauen mit Kinderwunsch achten sollten, sind der Zyklus und der Hormonspiegel: „Auffällige Befunde wie Zyklusunregelmäßigkeiten oder erhöhte männliche Hormone sollten Frauen direkt abklären lassen“, sagt Gößlinghoff. „Ansonsten können sie, sofern sie unter 35 Jahre alt sind, ein Jahr lang auf natürlichem Weg versuchen, schwanger zu werden.“ Ab 35 Jahren sei es ratsam, sich schon nach einem halben Jahr in eine Praxis zu begeben. „Als Erstes sollten Frauen ihren Hormonspiegel und insbesondere mit dem sogenannten Anti-Müller-Hormon ihre Eizellenreserve untersuchen lassen“, sagt Gößlinghoff. „Beim Partner ist es sinnvoll, ein Spermiogramm erstellen zu lassen.“

Insgesamt gelte: „Lieber früher als zu spät nachhelfen. Denn das Fatale ist: Jeden Monat gibt es zwar eine neue Chance und neue Hoffnung. Aber erfüllt sie sich nicht, ziehen die Monate schnell ungenutzt an einem vorbei“ – wobei sich zugleich die Aussicht auf ein Kind verringert. Auch die Kommunikation als Paar sollte nicht zu kurz kommen, zentral sei die Frage: „Wie stark ist unser Kinderwunsch und wie weit wollen wir für ein Kind gehen?“

Eine Möglichkeit, die Fruchtbarkeit länger zu erhalten, ist das Social Freezing. Hier werden Eizellen idealerweise vor dem 35. Lebensjahr eingefroren. „Dies darf zwar keine Fruchtbarkeit bis ans Lebensende suggerieren, denn es gibt keine Garantie auf eine Schwangerschaft mit eingefrorenen Eizellen“, sagt Gößlinghoff. „Aber einen Versuch ist es wert.“

Doch egal, welchen Weg ein Paar einschlägt: Spätestens wenn das Kind auf der Welt ist, kann es die Vorteile der späten Elternschaft sicher genießen. Dazu gehört nicht nur eine oft bessere finanzielle Situation als in jüngeren Jahren. „Ich habe heute ein ganz anderes Verständnis für so viele Dinge“, sagt Doreen H. aus Magdeburg. Gerade begleite sie ihre Tochter, die mittlerweile fast 14 Jahre alt ist, durch die Pubertät – „und zwar völlig tiefenentspannt“.

Familien für Studienteilnahme gesucht: Wie geht es Familien nach künstlicher Befruchtung?

Um dies herauszufinden, wird aktuell an der Universität Zürich eine Studie durchgeführt. Dazu werden in Deutschland und der Schweiz vierköpfige Familien gesucht, die eins ihrer beiden Kinder mithilfe künstlicher Befruchtung und das andere Kind auf natürlichem Weg bekommen haben. Als Dankeschön für Mitmachen gibt es ein Geschenkset im Wert von 150 Euro und eine Zusammenfassung der Studienresultate. Alle Daten werden vertraulich behandelt und verschlüsselt. Unter www.start-familie.ch finden Sie Informationen zur Teilnahme.