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Familie Familie: Väter und Söhne haben oft Stress

Von Andreas Heimann 28.01.2004, 13:39
Die wahren Probleme beginnen oft erst nach dem Windelalter - viele Väter kommen überhaupt nicht mit ihren Söhnen zurecht. Ursache dafür ist häufig mangelnde Kommunikationsfähigkeit auf beiden Seiten. (Foto: dpa)
Die wahren Probleme beginnen oft erst nach dem Windelalter - viele Väter kommen überhaupt nicht mit ihren Söhnen zurecht. Ursache dafür ist häufig mangelnde Kommunikationsfähigkeit auf beiden Seiten. (Foto: dpa) Stolt

Bonn/Tübingen/dpa. - Väter und Söhne haben sich oft nichts zu sagen. Im Extremfall schreien sie sich eher an als dass sie ausgiebig miteinander reden - oder sie brechen den Kontakt irgendwann ganz ab. Nicht selten werden solche Konflikte Jahrzehnte lang verschleppt - manchmal, bis es zu spät ist. Spannungsreich ist das Verhältnis fast immer. Dabei lässt sich für die Verbesserung der Beziehung durchaus etwas tun - beide Männer müssen es nur wollen.

Genau das gehört in unserer Gesellschaft nicht zu den für Männer typischen Verhaltensweisen: Die Konfliktlösung im familiären Bereich wird eher den Frauen überlassen. «Die meisten Männer verdrängen Konflikte», sagt Margarethe Schindler, Diplom-Psychologin aus Tübingen. Schon weil Väter klassischerweise wenig Zeit mit den Kindern verbringen, entwickle sich auch nicht ein so vertrauensvolles Verhältnis wie zur Mutter. Wenn es irgendwann Schwierigkeiten gibt, werde dann eher vermieden, sich an den Vater zu wenden.

Auf dem Verhältnis von Vätern und Söhnen lasten aber noch andere Bürden. Sie konkurrieren beispielsweise innerhalb der Familie um Ansehen bei den übrigen Mitgliedern und um die Zuneigung der Mutter. Der Jüngere ist dem Älteren in der innerfamiliären Rangfolge nachgeordnet, will sich damit aber nicht ein Leben lang abfinden.

«Beide wünschen sich aber auch die Anerkennung des anderen», sagt Uwe Kleinemas, Alternsforscher am Psychologischen Institut der Universität Bonn. «Manche Söhne reißen sich die Beine aus, um ihrem Vater zu gefallen. Väter andererseits haben oft das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.» Klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander, sind Probleme fast immer programmiert.

Söhne tragen nach Einschätzung des Wissenschaftlers außerdem oft die «Bürde des verpassten Lebensentwurfs des Vaters»: Sie sollen das schaffen, was dem Vater selbst nicht gelungen ist - während der Schule, im Studium oder in der beruflichen Karriere. Und am liebsten wäre es vielen Vätern auch, wenn die Söhne ihr Wertesystem weiterlebten. «Das geht natürlich regelmäßig schief», sagt Kleinemas. «Gerade wenn es um politische Überzeugungen geht, gibt es dann oft Konflikte.»

Gründe für das schwierige Verhältnis von Vätern und Söhnen gibt es also genug - nicht zuletzt auch das männertypische Handicap, beim Thema Kommunikation eher Versager zu sein. «Männer reden wenig miteinander, und Väter und Söhne noch weniger», sagt Kleinemas. «Es gibt immer wieder Fälle, da stirbt der Vater, und der Sohn sagt "Ich hab' eigentlich nie mit ihm geredet."»

Diese Erfahrung kann Steve Biddulph bestätigen: Väter und Söhne sind sich manchmal geradezu fremd. Auch bei Biddulph selbst war das so. Treffen mit seinem Vater endeten regelmäßig in Sprachlosigkeit. Dann ergriff der australische Kinderpsychologe die Initiative und begann während eines Spaziergangs ein ausgiebiges Gespräch, das die emotionalen Themen nicht ausklammerte, über die bisher immer geschwiegen worden war - das Eis war gebrochen.

«Meistens ist es für Söhne einfacher, das Gespräch aufzunehmen», sagt Kleinemas, «schon weil es für Ältere allgemein schwieriger ist, die gewohnten Bahnen zu verlassen.» Dazu sollte der passende Rahmen gesucht werden: «In einer Situation, die beide als angenehm empfinden, ist ein Gespräch am ehesten möglich.»

Häufig seien solche Unterhaltungen einfacher, wenn beide schon etwas älter sind. Schlüsselerlebnisse, etwa wenn der Vater schwer erkrankt oder einen Infarkt bekommt, können den Anstoß geben: «So etwas kann die positive Folge haben, dass Gesprächsblockaden beendet werden.» Manchmal sind solche Aussprachen dann der Schlusstrich unter jahrelange Streitereien. «Ein gelungenes Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen ist schon etwas Besonderes», sagt Kleinemas.

Künftig könnte allerdings einiges anders werden: «Die Väter-Rolle ist viel stärker im Wandel als andere», erläutert Harald Rost, Soziologe am Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg. «Die Erwartungen an den Vater haben sich verändert. Früher war er nur der Ernährer, jetzt ist er auch als Erzieher gefragt.» Das Verhältnis von Vätern und Söhnen könnte dadurch insgesamt enger und weniger spannungsreich werden.

«Junge Väter bemühen sich darum schon heute», ist Familientherapeutin Schindler überzeugt. Väter scheinen auch beim Thema Gesprächsbereitschaft offener zu werden. «Fragt sich, ob das die Söhne immer gut finden», sagt Uwe Kleinemas. «Zumindest Teenager haben sicher eher keine Lust darauf, dass ihr Vater nun ständig über alles Mögliche mit ihnen plaudern will.» Wirklich einfach wird es also auch in Zukunft nicht.

Literatur: Steve Biddulph: Mein Vater und ich - Die große Aussprache, Beustverlag, ISBN 3-89530-100-0, 11,90 Euro.