Erfülltes Tierleben trotz Behinderung
Groß-Zimmern/dpa. - Verspielt rennt Alfonso durch den Garten, beschnuppert kurz die Hand eines Gastes und lässt sich dann genüsslich streicheln. Der Hund der Rasse «Podenco» (spanischer Laufhund) mit dem struppigen hellen Fell wirkt wie ein ganz gesunder Hund, obwohl er von Geburt an blind ist.
Dies hat der spanische Vierbeiner mit dem königlichen Namen seinem Frauchen zu verdanken. Denn Iris Schneider ist Tierheilpraktikerin. Und sie hat sich als Hundetrainerin mit eigener Schule im südhessischen Groß-Zimmern auf behinderte Tiere spezialisiert.
Schneider ist überzeugt: Auch blinde und taube Hunde oder so genannte Angsthunde, die misshandelt wurden, können ein erfülltes Tierleben führen. Sie können frei umher laufen, apportieren oder andere Kunststückchen vollbringen - wenn sie von Herrchen und Frauchen richtig trainiert werden.
«Viele Menschen wissen gar nicht, dass es eine Schule für behinderte Hunde gibt. Sie führen die Tiere ein Leben lang an der Leine oder sperren sie zu Hause ein oder lassen sie nur in den Garten, und der Hund vegetiert dahin», sagt die 43-Jährige. Das habe sie ändern wollen, als sie 2004 ihre Hundeschule als Ich-AG gründete. Damit hat die Hundeliebhaberin offenbar eine bundesweite Marktlücke entdeckt. Denn ihre Kunden - Besitzer von blinden, tauben oder verängstigten Hunden - kommen aus ganz Deutschland zu ihr nach Hessen. «Mir ist keine andere Schule in Deutschland mit dem Schwerpunkt blinde und taube Hunde bekannt. Ich bin offenbar die einzige.»
Ihre ausgefallene Berufsidee hat Schneider Alfonso zu verdanken. Die Mutter eines 22 Jahre alten Sohnes sah den blinden Vierbeiner erstmals vor sechs Jahren in der Fernsehsendung «Tiere suchen ein Zuhause». «Er saß in Spanien bei Madrid schon in einer Tötungsstation und wurde von einer Tierschützerin gerettet, kam nach Deutschland zum "Bund gegen Missbrauch der Tiere", der ihn in der TV-Sendung vorstellte», erinnert sich Schneider. Dort sei gesagt worden, der blinde Podenco brauche ein eingezäuntes Grundstück und einen zweiten Hund, an dem er sich orientieren könne. Oft werde selbst in Tiervermittlungssendungen betont, blinde Hunde dürften nicht von der Leine. Mit diesen Einschränkungen wollte sich Schneider nicht zufrieden geben. Sie nahm das Tier auf, fand dann aber keine Hilfe bei herkömmlichen Hundeschulen. «Seither ist Alfonso mein Lehrmeister.»
So fand Schneider schnell heraus, dass «blindes Vertrauen» gerade für einen blinden Hund unabdingbar ist. «Der Mensch muss souverän sein, gelassen und besonnen. Er muss klare Anweisungen geben, damit sich das Tier orientieren kann», sagt die Tierheilpraktikerin, die zur Zeit an einem Buch über den Umgang mit blinden Hunden arbeitet. Tiere kompensierten ihre Behinderung meist sehr gut - vorausgesetzt, die Menschen ließen das zu. Ihre Hauptaufgabe als Trainerin bestehe deshalb darin, den Menschen das Mitleid zu nehmen, weil der Vierbeiner sonst in die falsche Richtung erzogen und meist gar nicht mehr trainiert werde. «Der Mensch muss wissen: Mein Hund ist zwar blind oder taub, aber er ist nicht blöd.» Allerdings sollten Besitzer blinder Hunde in der Wohnung keine Stolpersteine aufbauen oder alle drei Tage die Möbel verrücken.
Alfonso habe beispielsweise gelernt, seinen Futterbeutel von einer Baumgabel herunter zu apportieren oder auf Distanz zu gehorchen, etwa wenn ein Fahrradfahrer komme. «Ein behindertes Tier muss einen sehr guten Grundgehorsam haben, damit ich es überhaupt in den Freilauf schicken kann. Das ist die Lebensversicherung für den Hund.»
Während bei tauben Hunden eine übertrieben klare Zeichensprache wichtig sei, hält Schneider bei misshandelten Tieren eine korrekte Körperhaltung für extrem wichtig. «Der Hund darf sich nicht bedroht fühlen.» Es sei falsch, ihn zu bedrängen und gegen seinen Willen zu streicheln, weil das zu Panik führen könne. Mit einem Hund könne man nicht so sprechen wie mit einem Kind und sagen, er brauche keine Angst zu haben. «Hunde sind keine Menschen, sie können unsere Sprache nicht lernen. Wir müssen vielmehr ihre Sprache lernen.»
Hundeschule-Iris-Schneider: www.hundeblueten.de