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Engel oder Edelweiß? Engel oder Edelweiß?: Weihnachtsdeko zwischen Tradition und Trend

Von Melanie Brandl 19.11.2003, 12:11
Fisch an der Fichte - das gläserne Tier stammt aus der Reihe "Sea" von Inge-Glas. (Foto: dpa)
Fisch an der Fichte - das gläserne Tier stammt aus der Reihe "Sea" von Inge-Glas. (Foto: dpa) Inge's Christmas Decor

Basel/dpa. - Der Vollblut-Manager lässt Attrappen von Handys, Notebooks oder Kreditkarten am Tannenbaum baumeln. Der Freund bayerischer Lebensart greift vielleicht zu Mini-Maßkrügen, Edelweiß und Haferlschuhen als Dekoration - der Fantasie sind in Sachen Weihnachtsschmuck keine Grenzen gesetzt. So vielfältig und bunt das Angebot an Accessoires aber auch sein mag, die klassischen roten Kugeln, Strohsterne oder Engelchen werden sie wohl nie aus deutschen Wohnzimmern vertreiben.

Egal ob Trend oder Tradition - «insgesamt zeigt sich einfach, dass Weihnachten wieder im Kommen ist», charakterisiert Johann Wanner, Chef des gleichnamigen Weihnachtsschmuckunternehmens aus Basel in der Schweiz, die Entwicklung. Im Gegensatz zu Festen wie Ostern oder Pfingsten werde Weihnachten für die Menschen zunehmend wichtiger. «Das spürt man dann natürlich auch bei der Nachfrage an Dekoration», so Wanner, der in seinem ganzjährig geöffneten Weihnachtsladen allein 980 verschiedenfarbige Christbaumkugeln anbietet.

«Vielen ist gar nicht bewusst, dass der Ursprung des Glasschmucks in Deutschland liegt», sagt Tilo Hannemann von Inge-Glas aus Neustadt bei Coburg. Vor etwa 150 Jahren entwarfen Glasbläser aus dem thüringischen Lauscha zum ersten Mal Früchte und Nüsse aus Glas. Von dort aus trat der Christbaumschmuck seinen Siegeszug durch die ganze Welt an und fand besonders in den USA und Japan großen Anklang. «Nun schwappt der Trend, den Baum aufwendig zu dekorieren, zu uns zurück», sagt Hannemann.

Damit einher geht die in Amerika stark verbreitete Mode, die Dekoration nicht nur farblich passend, sondern auch thematisch zu gestalten. «Angelehnt an Hobbys oder Liebhabereien möchte der eine Autos am Tannenbaum haben, der andere Musikinstrumente. Und frisch Verliebte greifen ganz gern zu roten Herzen», sagt Wanner. So finden sich bei Inge-Glas in der Kollektion «Zoo» wilde Tiere, die Serie «Sea» enthält diverse Muscheln und Fische. Von «Landhaus» über «Cool Elegance» bis zu «Party Christmas» kann jeder sein eigenes Weihnachtsmotto wählen.

Ganz neu auf dem Markt sind Weihnachtskugeln, die von innen leuchten. «In der Kugel steckt eine kleine Halogenbirne, die man per Schnurschalter ein- und ausschalten kann», erklärt Uwe Köhler vom «Glasladen» in Wuppertal (www.der-glasladen.de). Witzig wirken aber auch Teelichtkugeln: Durch eine Öffnung werden handelsübliche Teelichte direkt in der Glaskugel platziert - eine hübsche und vor allem sichere Alternative zu offenen Kerzen.

Wer sich an rotmützigen Teddys oder niedlichen Nikoläusen satt gesehen hat und etwas ganz anderes ausprobieren will, wird bei Leonardo aus Bad Driburg (Nordrhein-Westfalen) fündig. Bei der Serie «Supercup» ließen sich die Designer von Sportarten wie Football, Golf oder Eisstockschießen inspirieren: «Geformt wie Sportgeräte, mit kleinen Kunststoffnoppen auf der Oberfläche verziert und mit Plastik-Schnellverschlüssen wie an moderner Sportbekleidung ausgestattet, hat dieser Weihnachtsschmuck nur noch wenig mit der klassischen Christbaumkugel gemein», sagt Marketing-Direktor Christophe Bossu.

Doch gerade was den Tannenbaum angeht, seien die meisten Leute gar nicht experimentierfreudig, schränkt die Autorin Ingrid Moras aus Kaufbeuren im Allgäu ein, die zahlreiche Bücher zum Thema Weihnachtsdekoration verfasst hat. Altmodisch wirkende Zinnfiguren mit traditionellen Weihnachtsmotiven wie die der Firma Wilhelm Schweizer aus Diessen am Ammersee erinnern viele Menschen zum Beispiel an ihre Kindheit.

Auch das Farbspektrum der Kugeln bewege sich zunehmend im klassischen Bereich, bestätigt Johann Wanner. «Es gibt immer wieder Versuche, andere Modefarben zu etablieren, aber dominant bleiben Rot, Grün, Gold und in diesem Jahr vor allem Silber.» Verändert habe sich lediglich die Verarbeitung, fügt Tilo Hannemann hinzu. «Aufwendige Bemalungen, Perlen und kleine Strasssteine lassen alles sehr opulent erscheinen. Das hat dann schon etwas von Barock oder Rokoko.»

Doch den meisten sind Trends und Moden im Bereich der Weihnachtsdeko egal: Sie genießen es, die Kartons vom Dachboden zu holen und den Baum in alter Familientradition zu schmücken. «Mein Wunsch nach einer neuen Dekoration in Blau und Türkis zum Beispiel wird bei uns zu Hause jedes Jahr dreifach überstimmt», bedauert Ingrid Moras. «Und so hängen an unserem Baum seit Jahrzehnten rote Kugeln und selbst gebastelte Strohsterne.»

Trotzdem blieben für sie noch immer genügend Ecken, in denen sie ihre Lust auf Veränderung voll ausleben kann, tröstet sich die Expertin. «Schließlich dekoriert man längst nicht mehr nur den Baum in der guten Stube», ergänzt Wanner, «sondern alles vom Tisch über die Fenster bis hin zur Tür.»