Die Blumenuhr ist Zeitanzeiger und Wetterprophet zugleich
Bonn/dpa. - Stehen Termine an, richten sich Hobbygärtner besser nicht nach ihr. Auf die Minute genau geht die Blumenuhr nicht. Aber die Stunde gibt sie korrekt an: Jede Pflanzenart öffnet und schließt ihre Blüten zu einer bestimmten Tageszeit - außer bei Regen.
Carl von Linné, schwedischer Naturforscher, behauptete, ihm genüge ein Blick aus dem Fenster, um die Zeit auf fünf Minuten genau abzulesen. Er pflanzte 1745 die erste Blumenuhr, um seine Beobachtung von den unterschiedlichen Öffnungszeiten der Blüten erlebbar zu machen. In jeder der zwölf Zifferblatt-Abteilungen wuchsen jeweils die Pflanzen, die in der entsprechenden Tages- und Nachtstunde ihre Blüten öffnen.
Der Wiesenbocksbart öffnet seine Blüten bereits zwischen 3.00 und 4.00 Uhr und legt sich mittags wieder schlafen - so pünktlich, dass die Bauern ihn nutzten, als sie sich «echte» Uhren noch nicht leisten konnten. Auch Kürbis und Klatschmohn begrüßen den Tag schon um 5.00 Uhr. Die ersten dicken Hummeln sind dann bereits unterwegs und tragen den frischen Kürbis- und Mohnpollen in ihren Pollentaschen.
Um 6.00 Uhr erwachen Distel und Zaunwinde, Seerose und Ringelblume setzen sich gegen 7.00 Uhr in Szene, aber nur bei schönem Wetter. Bei schlechtem weigern sich die Seerosen, ihre Blütenaugen zu öffnen, und die Ringelblume schläft zwei Stunden länger. Um 8.00 Uhr ist Zeit für Habichtskraut und Acker-Gauchheil. Eine Stunde später zeigen sich die Blüten von Pfingstnelke und Vogelmiere. Sie gilt als Unkraut, dabei könnten ein, zwei Exemplare als Wetterprophet dienen: Droht Regen, bleiben die Blüten geschlossen, und die Blätter hängen schlaff herab.
Um 10.00 Uhr sind die Stockrose und die Malve an der Reihe und legen Pollen in ihre Blütenauslagen. Bienen und Hummeln belagern die Blumen sofort. Um sie geht es bei all den Strategien rund um die Blütenöffnungszeiten: Rund um die Uhr Nektar und frischen Pollen bereit zu halten, wäre Verschwendung. Also gibt es das Angebot nur zu bestimmten Zeiten des Tages. Wäre das bei allen Pflanzen die gleiche Stunde, kämen die Bestäuber mit ihrer Arbeit nicht nach.
Dank der gestaffelten Blütenzeiten öffnen sich immer neue Kelche, Glocken, Blütenrachen und -körbchen. So finden Bienen, Hummeln und Schmetterlinge stets Nahrung. Sogar auf die Nachtstunden haben sich Pflanzen spezialisiert. Die Nachtkerzen und die Taglilien etwa setzen auf Nachtfalter und öffnen erst gegen 18.00 Uhr.
Zur gleichen Zeit beginnen die weiße Lilie und die Engelstrompete zu duften. Wie viele andere Arten verzichten sie auf das Öffnen und Schließen ihrer Blüten. Spezielle Zeiten haben sie trotzdem: Erst am Abend fließt der Nektar reichlich - der Duft signalisiert es.
Auch intensiver Duft dient der Wetterprognose: Viele Blüten verströmen ihn, wenn ein Wettersturz bevorsteht. An Rosen und Linden lässt sich das beobachten und an der Mondviole. Insekten sollen rasch noch zur Befruchtung angelockt werden, bevor der Regen den Pollen weggespült. Vor Ausbruch des Unwetters stoppen Duft und Nektarfluss.
Mit Nässe ist auch zu rechnen, wenn die schon geöffneten Blüten von Zaunwinden, Robinien und Lupinen sich wieder schließen. Nur die Trichterwinde sagt weder Uhrzeit noch Wetter voraus, wenn sie ihre Blüten schon vormittags schließt: Sie hat dann schlichtweg Besuch von Bienen gehabt - der dekorative Trichter hat seine Aufgabe erfüllt.