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Den Wehrdienst erfolgreich umgehen

Von Tobias Schormann 09.04.2008, 07:01

Bockhorn/dpa. - Um dem Bund zu entgehen, mussten sich Männer früher einiges einfallen lassen: Den einen überkamen vor der Musterung plötzliche Depressionen, andere tranken literweise Kaffee, um Herzrasen vorzutäuschen.

Heute gibt es dafür einen einfacheren Weg: Nichts tun und abwarten. Denn da die Bundeswehr immer weniger Rekruten einzieht, bleiben Wehrpflichtige mit etwas Glück vom Dienst verschont. Darauf verlassen sollten sie sich aber nicht.

«Heute wird nur noch jeder zweite Wehrpflichtige einberufen», sagt Peter Tobiassen von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen (KDV) in Bockhorn (Niedersachsen). «Man hat also eine 50-prozentige Chance, dass man gar keinen Dienst machen muss.» So seien 2007 knapp 130 000 für den Wehrdienst infrage gekommen - laut Verteidigungsministerium mussten aber nur rund 67 000 ihren Dienst in der Kaserne antreten.

Bei den Zivildienst-Behörden können Jugendliche dagegen kaum darauf hoffen, durchs Raster zu fallen. «Wir haben genug Stellen - bei uns muss deshalb so gut wie jeder antreten», sagt Josef Opladen vom Bundesamt für den Zivildienst in Köln.

«Eine Verweigerung schickt man daher am besten erst ab, wenn man die Einberufung im Briefkasten findet», sagt Tobiassen. Ein solches Pokerspiel ist aber riskant: Eventuell kann ein Antrag nach der Einberufung nicht schnell genug bearbeitet werden - dann müssten Betroffene zunächst in die Kaserne, sagt Opladen.

Auch wenn Kriegsdienstverweigerer vorgesorgt haben und den fertigen Antrag nur noch aus der Schublade ziehen müssen, bringt die Warte-Taktik ein Stück Unsicherheit mit sich. So ist es Pech für Studenten, wenn der Einberufungsbescheid ausgerechnet im ersten oder zweiten Semester ins Haus flattert. Dann müssen sie ihr Studium für den Wehrdienst unterbrechen. Auch bei dualen Studiengängen müssen Berufsanfänger im ersten Jahr damit rechnen, eingezogen zu werden.

«Der Studienplatz bleibt dann aber erhalten, und man muss das laufende Semester nicht unterbrechen», sagt Tobiassen. Zwar sei es ärgerlich, die Ausbildung unterbrechen zu müssen. Der Zeitverlust sei aber derselbe wie bei einer Einberufung vor dem Studium.

Grundsätzlich können Männer bis zum 23. Lebensjahr zu ihrem neunmonatigen Wehr- oder Zivildienst einberufen werden. Bei einer Rückstellung etwa für ein Studium verlängert sich die Frist bis zum 25. Lebensjahr.

Gegner der Wehrpflicht kritisieren die Einberufungspraxis als ungerecht und sind mit diesem Argument vor Gericht gezogen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2005 jedoch, dass die Bundeswehr nicht gegen das Prinzip der Wehrgerechtigkeit verstößt. «Klagen ist daher heute sinnlos - das Thema ist durch», sagt Rechtsanwalt Thomas Schulte aus Berlin. «Heute drückt man sich anders, eher inoffiziell.»

So könnten Jugendliche sich als Härtefall freistellen lassen, wenn sie etwa angeben, Verwandte zu pflegen. Und wer nach einem Umzug oder Auslandsjahr nicht gemeldet ist, hat ebenfalls für eine Weile Ruhe vor dem Kreiswehrersatzamt. Den Papierkrieg mit dem Bund können sich viele zudem sparen, weil sie vorher ausmustert werden: Laut dem Wehrbeauftragten des Bundestags wurden 2007 rund 45 Prozent für untauglich befunden.

INFO: So lange können Wehrpflichtige einberufen werden

Wehrpflichtige können bis zum 23. Lebensjahr zu ihrem neunmonatigen Wehr- oder Zivildienst einberufen werden. Bei einer Rückstellung etwa wegen eines Studiums verlängert sich die Frist bis zum 25. Lebensjahr. Heute werden aber nur noch Unverheiratete der ersten beiden Tauglichkeitsgrade T1 und T2 eingezogen.

Bundesamt für den Zivildienst: www.zivildienst.de

Infos zur Kriegsdienstverweigerung: www.zentralstelle-kdv.de