1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Das Kinderzimmer als Abenteuerspielplatz

Das Kinderzimmer als Abenteuerspielplatz

Von Melanie Brandl 02.06.2008, 07:43

Bad Honnef/dpa. - Viele Kinder sind zu dick. Dagegen hilft neben ausgewogener Ernährung vor allem eines: genügend Bewegung. Damit ihr Nachwuchs die auch bekommt, gestalten manche Eltern die Kinderzimmer zu regelrechten Indoor-Spielplätzen um.

Das fängt beim Schaukelpferd und geht über die Torwand bis zu Abenteuerbetten im Piratenschiff-Design. Doch längst nicht alles ist nach Einschätzung von Experten sinnvoll.

«Spielgeräte im Zimmer können nie eine Alternative zum Spielplatz draußen sein», sagt Ursula M. Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef. Trotzdem seien Angebote, die zu Aktivität anspornen und den Kindern Anreize geben, sich zu bewegen, natürlich sinnvoll.

Angebote gibt es genug: Kletterwände und Rutschen trainieren die Geschicklichkeit. Trampoline und kleine Wippen sorgen für ein besseres Gleichgewicht. Richtig toben können die Kleinen in Bällebädern, die Großen reagieren sich an Sandsäcken ab.

«Dem Trend zu Spiel- und Beschäftigungsmaterialien, die die Kinder stillstellen, muss etwas entgegengesetzt werden, das ihrer Körperlichkeit Raum und Gelegenheit zur Übung gibt», fordert Alfred Weinrich aus Frankfurt/Main. Der gelernte Erzieher und Schreiner entwickelte zu diesem Zweck unter dem Namen «Spiel und Raum» sogenannte «Klettergärten». Sie sollen die Kinder zum Rutschen, Balancieren und natürlich Klettern animieren.

Doch nicht in jedem Kinderzimmer hat gleich ein ganzer Klettergarten Platz. Für erste Schaukelversuche genügt sicher, wenn keine Schaukel hinterm Haus steht, das klassische Schaukelpferd. Und platzsparend klettern lässt es sich zum Beispiel mit dem Turnbogen des auf Produkte für Kinder spezialisierten Versandhandels JAKO-O aus Bad Rodach (Bayern), der genau über ein Bett passt.

Für noch mehr Varianten zum Toben und Spielen sorgen dann Abenteuerbetten wie etwa von Paidi aus Hafenlohr (Bayern) oder Woodland in Dormagen (Nordrhein-Westfalen). Hier werden Kletterwände, Schaukelseile oder Turnstangen gleich integriert. Gerne präsentiert sich das Ganze unter Mottos wie «Piratenschiff» oder «Ritterburg».

Allerdings sieht man sich an solchen «Motto-Möbeln» schnell auch wieder satt, warnt Kinderzimmer-Einrichtungsexpertin Susanne Pohlmann aus München. «Kinder haben oft Phasen, in denen sie bestimmte Themen toll finden. Doch irgendwann sind Piraten eben nicht mehr angesagt. Dann wird höchsten noch auf dem Piratenschiff gesegelt und geturnt, wenn Besuch da ist.»

Je genauer jedes Teil im Kinderzimmer nach Farbe und Form definiert ist, desto schneller wird es langweilig, ist auch die Erfahrung von Kinderzimmereinrichter Oliver Beil aus Düsseldorf. «Natürlich ist ein bisschen Gestaltung nicht verkehrt. Aber Kinder sind auch mit einer Matratze, einer Decke und einem Besenstiel glücklich und spielen damit Pirat. Und morgen ist eben genau diese Matratze wieder etwas ganz anderes.» So werden Motorik und Fantasie gleichzeitig gefördert - ohne teure Spezialmöbel.

Hinzu kommt die Platzfrage: «Wenn man ein extra Spielzimmer hat, kann man vielleicht eine Rutsche und eine Schaukel unterbringen - aber in einem durchschnittlichen Kinderzimmer wird das schon schwierig», so Beil. Weniger ausladende Möbel wie Kletterwände sind in ihren Möglichkeiten schnell erschöpft, befürchtet Pohlmann: «Eine solche Wand in Zimmerhöhe drei-, viermal hochgeklettert - schon ist sie fad.»

Und auch die Nachbarn könnten sich von allzuviel Bewegungsförderung gestört fühlen, warnt die Expertin: Im eigenen Haus sind Trampolin springende oder Basketball werfende Kids vielleicht kein Problem - in der Mietwohung sieht das allerdings unter Umständen ganz anders aus.

«Tob- und Sportgeräte gehören für mich eindeutig nach draußen», sagt Oliver Beil. Das Kinderzimmer hingegen solle ein Ort des Rückzugs, der Ruhe, des Schlafen und des Spielens sein. Die meisten Kinder hätten sowieso nachmittags einen vollen Terminkalender mit Sportvereinen, Musikunterricht und Verabredungen, fügt Susanne Pohlmann hinzu. «Noch mehr Anreize sind da gar nicht nötig. In ihrem Zimmer sollten Kinder einfach auch mal runter kommen können.»

INFO: Auswahl und Montage von Spielgeräten

Neben Faktoren wie Platz, Lärmbelästigung der Nachbarschaft und Vorlieben der Kinder spielt beim Kauf von Spielgeräten vor allem auch auch deren Sicherheit eine Rolle. TÜV- und GS-Siegel sind hier ganz wichtig. Außerdem spielt das Alter der Kinder eine entscheidende Rolle. Selbst wenn die Kinder alt genug für ein Hochbett oder eine Sprossenwand sind, muss sichergestellt sein, dass kleinere Geschwister oder jüngere Besucher nicht unbeaufsichtigt auf den Spielgeräten herumturnen können.