Currywurst Currywurst: Es geht um die Wurst
Halle/MZ. - Wer danach fragt, den weisen die Betreiber mit gepresstem Lächeln darauf hin, dass es in Berlin 170 Currywurst-Buden gibt und zehn davon liegen fußläufig im direkten Umfeld der Schützenstraße am Checkpoint Charlie.
Für den stolzen Preis von 11 Euro Eintritt hätten manche Besucher allerdings schon ein dampfendes Würstchen im Kartonteller, mit Ketchupcurry übersudelt, erwartet. Museumschefin Birgit Breloh versichert, dass in einigen Wochen auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Lounge eingerichtet würde, in der sich die Gäste dann stärken können. Bis dahin gilt: nur gucken, nicht kosten!
Die Hauptstadt hat 107 Museen, aber das hat noch gefehlt. Schließlich wurde in Berlin 1949 die Wurst mit der Currysoße erfunden. Herta Heuwer, die bis 1974 einen Imbiss im Stadtbezirk Charlottenburg betrieb, ließ ihre Kreation patentieren. Im Museum wird sie ausgiebig gewürdigt, in alten Filmaufnahmen ist sie noch mal zu sehen und zu hören, ein Berliner Original. Es soll immer noch Hamburger und Ruhrpöttler geben, die davon ausgehen, dass die Currywurst in ihrem Revier erfunden worden sei. Dem ist aber nicht so, wie die lokalpatriotenfreie Dokumentation nachweist.
Die meisten Besucher interessiert das weniger. Sie schnüffeln lieber an fünf Säulen, um herauszufinden, ob es sich bei Geruchsproben in der Gewürzkammer um Muskat oder Nelken handelt, die dem Curry beigemischt werden. Sie pressen an Stehtischen rote Ketchup-Flaschen an ihre Ohren und hören die Pressstimme Herbert Grönemeyers und sein Lied von der Currywurst. Sie hocken im Polster unter großen knallroten Ketchuptropfen, die von der Decke hängen, und erfahren die Soßen-Rezeptur. Sie treffen auf die Riesenwurst in Menschengröße, die auf die Wurst Appetit machen soll, die es dann erst draußen gibt. Sie bearbeiten einen Computerbildschirm, um ihr Geschick als virtuelle Imbissbuden-Betreiber auszuprobieren. Sie begutachten in Vitrinen diverse Variationen der Currywurst mit unterschiedlichen Beilagen vom Brötchen bis zum asiatischen Gemüse aus dem Wok. Lustig ist das schon, auch informativ. Dennoch wie ein Autohaus ohne Autos oder eine Galerie ohne Bilder.
Der Berliner Unternehmensberater Martin Löwer hofft, dass der Kultstatus der Wurst ausreicht, um jährlich mindestens 350 000 Besucher anzulocken, rund 600 pro Tag. So viele müssen auf den Geschmack kommen, weil der Investor fünf Millionen Euro ausgegeben hat. Die Rechnung könnte aufgehen, vor allem, wenn demnächst Currywürste zum Reinbeißen dazukommen. So wirkt das Ganze etwas steril, selbst in der nachgestellten Imbissstation mit den drei Damen vom Grill dampft und duftet nichts. Tatort-Kommissar Schimanski (Götz George) wäre grantig.
Dafür erfährt der Besucher aus dem Ketchupflaschen-Telefon, dass der Wurstticker täglich zählt, wie viele im roten Saft triefenden, kleingehäckselten Würstchen bundesweit mit dem Plastikgäbelchen in Münder gestopft werden. Allein in Berlin sind es pro Jahr unglaubliche 70 Millionen. Würde man diese und die restlichen in Deutschland verzehrten Gewürzten als Wurstkette um den Äquator legen, trüge der Planet einen Gürtel aus Schweinefleisch, das zu 70 Prozent als Fett in essbare Hüllen gezwängt wurde. Durch Ferngläser können Besucher auf dem Berliner Stadtplan wichtigste Verzehrorte in Berlin orten, wie Konnopke's und Curry 36, zu denen auch Filme laufen.
Eine Fotowand präsentiert Imbissbuden in aller Welt, die deutsche Currywurst ist ein Exportartikel. Der Imbisswagen wohl nicht, er ist begehbar, auch das Sofa in Form eines Ketchupkleckses nicht, es enthält Behälter mit Tomaten, Zwiebeln und anderen Zutaten für die Soße. Kritische Ansichten zum Fast Food fehlen, die industrielle Wurstproduktion kommt nicht vor, merkwürdigerweise auch nicht die vegetarische Currywurst. Womöglich will man die Fraktion der Fleischverächter lieber nicht im Museum haben. Appetit macht das Ganze dennoch, und das ist die Hauptsache.
Deutsches Currywurst Museum Schützenstr. 70, 10117 Berlin, täglich 10-22 Uhr geöffnet, Eintritt 11 Euro