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Coming Out Coming Out: Wenn Jungs Jungs lieben

Von Cornelia Jeske 26.08.2005, 17:19

München/Berlin/dpa. - Wer homosexuell ist, erfährt das in der Regel in der Pubertät. "Wenn sich Gefühle, die Mädchen üblicherweise für Jungs haben, plötzlich auf das eigene Geschlecht richten, ist das ein erster Hinweis", sagt Rita Braaz von der Lesbenberatungsstelle in München. Zwar sagen "Dr. Sommer" und Co. dann gern, dass solche Erfahrungen nicht ungewöhnlich sind. Wer sich aber nach einigem Ausprobieren beim eigenen Geschlecht immer noch viel wohler fühlt, kann fast sicher sein, dass er schwul oder lesbisch ist.

"Die Übergänge sind allerdings fließend", sagt Arnd Bächle, Psychologe von der Schwulenberatung in Berlin. So habe der amerikanische Sexualforscher Alfred Kinsey eine Skala von null (heterosexuell) bis sechs (homosexuell) aufgestellt und dazwischen Platz gelassen für sämtliche Varianten. "Er wollte damit auch sagen, dass alles normal ist - egal ob hetero-, homo- oder bisexuell."

Nicht normal zu sein, das glauben viele Jugendliche, die ihre Liebe zum eigenen Geschlecht entdecken. "Wie kann ich das abstellen?", wurde Kerstin Winter, Bundesgeschäftsführerin des Jugendnetzwerks Lambda mit Sitz in Erfurt, von Mädchen gefragt. Von Gedanken wie diesen bis zum "inneren Coming Out", der Akzeptanz der eigenen Sexualität, ist es ein weiter Weg, der oft Jahre dauert.

Vor allem Jugendlichen, die nicht in Großstädten leben, wo sich keiner mehr über Händchen haltende Männer wundert, fällt es schwer, sich einzugestehen, dass sie anders sind. "Viele versuchen, weiterhin dem Gesellschaftsbild zu entsprechen, unterdrücken ihre Gefühle, sind einsam und unglücklich", sagt Rita Braaz. Nicht selten führt eine solche Depression zum Selbstmordversuch. "Wichtig ist, dass man mit seinen Gefühlen und Ängsten nicht allein ist", sagt Bächle. Der beste Freund oder die beste Freundin könnten Rückhalt geben. Angst, dass sie nicht damit leben können, müsse man bei guten Beziehungen nicht haben.

Unterstützung beim Coming Out bieten vor allem die schwul-lesbischen Beratungsstellen. Ist keine in der Nähe, findet man bei Pro Familia professionelle Ansprechpartner. Jugendtreffs für Schwule und Lesben sind für alle zu empfehlen, so Braaz. Auch sind hier all die willkommen, die sich noch gar nicht sicher sind, ob sie nun homo- oder heterosexuell veranlagt sind. Wer auf dem Land wohnt, kann im Internet Gleichgesinnte treffen und sich austauschen.

Der nächste Schritt ist das öffentliche Coming Out. Man sollte sich aber erst outen, wenn man mit eventuellen negativen Reaktionen umgehen kann, rät Winter. "Viele Jugendliche warten mit ihrem Coming Out so lange, bis sie einen Freund oder eine Freundin haben, weil es dann einfacher ist, wenn man sich gegenseitig Rückhalt geben kann."

Reagieren Eltern, Freunde oder Klassenkameraden mit Ablehnung, bleibt man am besten ruhig und kontert mit Argumenten. "So könnte man klare Grenzen ziehen, indem man sagt: Meine Art zu leben ist wie deine, sie ist eine Frage der Gefühle. Ich möchte die gleiche Anerkennung für meine Gefühle wie du für deine", empfiehlt Braaz. Je selbstbewusster und offener man mit den Reaktionen der anderen umgehen kann, desto leichter gewinnt man Akzeptanz und Respekt.

Beste Freunde sind für jeden, der sich outet, unverzichtbar. Sie sollten daher signalisieren, dass es für sie okay ist, dass der Freund schwul oder die Freundin lesbisch ist. "Wichtig ist, natürlich zu bleiben", sagt Winter. "Der Freund oder die Freundin sollte die Neuigkeit gelassen hinnehmen und nicht wochenlang zum Thema machen."

Fatal wäre auch, sich auf einmal körperlich abzugrenzen, etwa auf das gewohnte Begrüßungsküsschen oder die Umarmung zum Abschied zu verzichten. "Vor allem heterosexuelle Männer denken gern, dass alle schwulen Männer was von ihnen wollen", sagt Winter. Das sei nicht nur ein abstruser, sondern auch ein ziemlich eitler Gedanke.