«Chancen gut wie nie»: Seefahrt-Studenten gefragt
Elsfleth/dpa. - Susanne Berner ist 22 Jahre alt und war bereits auf Weltreise - als Teil ihres Studiums. Gleich das erste Semester ihrer Nautik-Ausbildung an der Fachhochschule Oldenburg, Ostfriesland, Wilhelmshaven (FH OOW) führte die Studentin hinaus auf die See.
Sechs Monate lang durchlief sie die Stationen auf einem Containerschiff, sah ferne Länder und ging in den Häfen Asiens und Amerikas an Land. «Ich will später auf jeden Fall zur See fahren und auf jeden Fall Kapitänin werden», sagt die angehende Nautikerin.
Die Chancen, dass sich Susanne Berner ihren Berufswunsch erfüllen wird, stehen bestens. «Die Karrieremöglichkeiten, Kapitän zu werden, sind nahezu sicher», berichtet Prof. Klaus-Jürgen Windeck, Dekan des Fachbereichs Seefahrt am FH-Standort Elsfleth (Kreis Wesermarsch). «Der Nachwuchsmangel in der Nautik ist dramatisch, Arbeitslosigkeit gibt es praktisch nicht», sagt Windeck. Der Großteil der Studenten habe bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche, bevor das Diplom überhaupt bestanden ist. «Und es ist nicht selten, dass viele bereits wenige Jahre nach dem Studium Kapitän sind.»
Dieser Trend werde sich noch verstärken. Die EU habe berechnet, dass 2015 rund 20 000 Schiffsoffiziere fehlten, erklärt Windeck. Und in Deutschland sei das nur die Spitze des Eisbergs: «40 Prozent des Schiffführungspersonals werden in 10 bis 15 Jahren pensioniert.»
Doch nicht nur auf der Brücke wird es freie Stellen geben. Die gesamte Seefahrt boomt. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) sind beinahe 40 Prozent der sprunghaft wachsenden globalen Containerschiffsflotte im Besitz deutscher Eigner. In der Eigner-Statistik der weltweiten Flotte aller Handelsschiffe bringe es Deutschland immerhin auf Platz drei - mit einer Wachstumsrate von stolzen 14,3 Prozent im vergangenen Jahr. Und deutsche Reedereien investieren munter weiter: «Mit Stand Januar 2008 haben deutsche Reeder 1300 neue Schiffe bestellt», sagt Alexandra Pohl vom VDR. Eine riesige Zahl - verglichen mit der Gesamtgröße der deutschen Flotte, die 3232 Schiffe zähle. 2007 habe es gerade einmal 849 Neubestellungen gegeben, und in den Jahren zuvor noch weitaus weniger.
In das Fahrwasser der boomenden Seefahrt geraten zwangsläufig auch die dazugehörigen Berufe an Land. Daher gibt es in Elsfleth neben der Nautik auch die Studiengänge «Internationales Transportmanagement» sowie «Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft». Alle drei sind überlaufen. Rund 600 Bewerber aus ganz Deutschland hatten sich im vergangenen Wintersemester für die insgesamt nur 62 Plätze beworben.
Eine der neuen Studenten der «Seeverkehr- und Hafenwirtschaft» ist Katja Leuteritz. Die 20-Jährige wuchs in Hamburg auf und hegte schon früh den Wunsch, beruflich etwas mit Schiffen und Häfen machen zu wollen. «Der Studiengang hier ist mein Traum», sagt sie. «Auch, weil ich damit später so leicht Auslandserfahrung sammeln kann.» Deutsche Studenten, sagt Dekan Windeck, seien weltweit gefragt.
Uwe Schweitzer von der Zentralen Heuerstelle Hamburg kann die glänzenden Aussichten nur bestätigen. «Mir fehlen die Leute hier», sagt er. In «nicht geringem Maße» führen noch Kapitäne zur See, die die 70 längst überschritten hätten. Erst kürzlich habe Schweitzer die Bewerbung eines 29-Jährigen auf dem Tisch gehabt - der schon Kapitän ist. Offene Stellen gebe es in der gesamten Seefahrt mehr als genug.
Der Studien-Standort in Elsfleth werde derzeit für 18 Millionen Euro ausgebaut, berichtet Windeck. Reedereien beteiligten sich an dem Projekt. 2010 solle das «Maritime Kompetenzzentrum» fertig sein. Bereits Ende dieses Jahres werde es den ersten Nautik-Studiengang im Praxisverbund mit einer Ausbildung zum Schiffmechaniker geben. Das sei das Nonplusultra, meint Windeck. «Und die Berufsaussichten sind ja schon jetzt so gut, dass die Absolventen frei wählen können.»
Verband Deutscher Reeder: www.reederverband.de
Seefahrt in Elsfleth: www.fh-oow.de/fbs/