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Bullerbü im Kopf: Familien zwischen Land und Stadt

Von Jessica Grebe 02.07.2008, 07:20

Berlin/dpa. - Viele Menschen sind mit den Geschichten von Astrid Lindgren groß geworden, mit dem Traum von Bullerbü. Dieser ist mit einem Leben in der Stadt, mit mehrspurigen Straßen und viel Beton schwer vereinbar. Doch auch auf dem Land herrscht nicht unbedingt Idylle.

«Bullerbü gibt es auch auf dem Land quasi nicht mehr», sagt Holger Hofmann vom Kinderhilfswerk in Berlin. Der Verkehr beispielsweise habe auch in ländlichen Gebieten stark zugenommen. Und wegen des gestiegenen Einsatzes von Düngemitteln ist das Spielen auf Feldern nicht unproblematisch. «Sogenannte Ausgleichsflächen für Kinder, also ein Ersatz für ehemals vorhandene Wiesen, werden in ländlichen Gebieten oft nicht geplant», sagt Hofmann. Die Planer in Städten seien da häufig weiter, auch wenn nicht jeder Spielplatz tatsächlich ausreicht.

Kinder auf dem Land können aber eher allein losziehen und spielen. Und viele verfügen dort über einen Garten vor der Tür. Ein Stadtkind kann nicht so einfach raus aus seiner Wohnung im sechsten Stock. Solange die Kinder noch klein sind, muss ein Elternteil mitkommen. Das Kind ist also lange Zeit sehr abhängig. «Vergleicht man das modern-individualistische Stadtkind mit einem traditionell-klassischen Landkind, stellt man fest, dass das Stadtkind im Sprachausdruck meist weiter entwickelt ist. Das Landkind dagegen ist selbstständiger», erklärt die Psychologin Doris Heueck-Mauß aus München. Je nachdem, wie viel Freiräume die Eltern ihren Kindern geben, kann das Leben auf dem Land in den ersten Jahren von Vorteil sein.

Wo kein Wald ist, können Kinder nicht von Baum zu Baum klettern, und ein paar wilde Blumen am Straßenrand ersetzen nicht das Gefühl, durch eine Wiese zu laufen. Trotzdem sollten die räumlichen Bedingungen in ihren Auswirkungen nicht überschätzt werden, sagt Jan Erhorn vom Pädagogischen Institut der Universität Hamburg: «Grundsätzlich unterscheiden sich die motorischen Fähigkeiten von Stadt- und Landkindern kaum.»

Spiel und Bewegung sind für Kinder absolut notwendig. Stadtkinder werden dafür häufig zu Improvisationskünstlern. «Kinder haben bemerkenswerte Fähigkeiten, sich Spiel- und Bewegungsräume zu erschließen», sagt Erhorn. Wenn man sie lässt, finden Kinder überall Platz zum Spielen und Toben. Doch kindliche Bedürfnisse kollidieren in der Stadt oft mit den Wünschen Erwachsener. Schilder wie «Betreten der Grünfläche verboten» beweisen das.

Ein Eigenheim können sich Familien oft nur außerhalb großer Städte leisten. Der Traum von den eigenen vier Wänden bedeutet dann aber meist weitere Wege zur Arbeit, zum Einkaufen oder der Ballettstunde. «Auf dem Land brauchen Familien oft zwei Autos», sagt Jan Ridderbusch, Referent der Familien Forschung Baden-Württemberg in Stuttgart. «Um den Kindern Aktionen zu ermöglichen, müssen Eltern oft Taxidienste leisten.»