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Braten vom Ross: Eine selten gewordene Spezialität

Von Monika Hillemacher 02.01.2009, 08:20

Frankfurt/Main/dpa. - Auf höchstens 100 Gramm beziffert der Deutsche Fleischer-Verband in Frankfurt den jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch. Selbst Ziege, Strauß und Känguru kommen häufiger als Ross auf den Teller. Dabei dürfte nicht zuletzt eine Rolle spielen, dass im Pferd oft vor allem ein «Freund des Menschen» gesehen wird, der - ähnlich wie ein Hund - nicht einfach so im Kochtopf landen sollte. Allerdings eignet sich Pferdefleisch ähnlich gut zum Grillen, Braten und Kochen wie Schwein und Rind: Gulasch, Rouladen, Schnitzel, Steaks, Frikadellen, Suppen - alles ist möglich. Das wohl bekannteste Gericht ist der rheinische Sauerbraten.

Für dessen Original wurde früher Fleisch vom Pferd verwendet. In Essig eingelegt, wurde es mürbe. Als verfeinerte Alternative schlägt Barbara Laubrock von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster eine Buttermilchlake mit Wacholderbeeren vor. Generell sollte Pferdefleisch vor dem Verarbeiten zwei bis drei Wochen abgehangen sein, damit es nicht zäh wird, und es sollte auf den Punkt gegart werden. Durchgebratenes Fleisch kann hart werden. Ansonsten unterscheidet sich der Umgang nicht von dem mit anderen Sorten.

Laubrock stuft Pferdefleisch wegen seines hohen Gehalts an Eiweiß und Mineralstoffen als sehr hochwertig ein. «Es hat einen Eiweißgehalt von etwa 20 Prozent und deutlich mehr Eisen als Rind und Schwein.» Dieses Eisen könne der menschliche Körper besser verwerten als solches aus Gemüse. Außerdem ist Pferdefleisch fettarm. Das schätzen kalorienbewusste Menschen. «Wir haben viele Kunden, die Abnehmkuren machen. Die essen zwei Pferdesteaks statt eines Rindersteaks», sagt Barbara Schneider aus Krombach. Sie und ihr Mann verkaufen Produkte aus der eigenen Pferdemetzgerei auf Wochenmärkten im Rhein-Main-Gebiet.

Besonders beliebt bei der Kundschaft sind heiße Würstchen, Frikadellen und Gulaschsuppe. Die Frikadellen fertigt Schneider aus Brötchen, Paniermehl und Ei, gewürzt wird wie bei Hackfleisch. Für ein Gulasch empfiehlt sie ein Rezept mit Lorbeerblättern, Zwiebeln, Thymian, Rosmarin, Basilikum und Steinpilzen. Angebraten wird mit Olivenöl, abgeschmeckt mit Rotwein. Zwei Stunden Garzeit folgen.

Ein Rossbraten lässt sich mit Crème fraîche oder Wein verfeinern, eine Soße aus Rinderkraftbrühe fabrizieren. Rouladen werden erst geklopft, dann für 24 Stunden in Buttermilchlake gelegt und schließlich ganz traditionell mit Senf, Gewürzgurke, Speck und Zwiebeln gefüllt. Zu den Gerichten passen herbstlich-deftige Gemüse wie Rotkohl und Rosenkohl als Beilage. Zu Steaks und Schnitzeln kommt Salat auf den Teller.

Rotwein unterstreicht den zwischen Wild und Rind angesiedelten Geschmack des meist dunkelroten Pferdefleischs. Die Farbe sei Ergebnis der Bewegung der Tiere an der frischen Luft. «Wie beim Wild ist die Muskulatur gut ausgebildet», erläutert Laubrock. Die Annahme, das Fleisch schmecke süßlich oder gar tranig, verweist sie ins Reich der Fantasie. Dass dem Braten trotzdem landläufig ein «Beigeschmack» anhaftet, begründet sie historisch: «Früher hatte es eine schlechte Qualität, weil alte, ausgemergelte Arbeitstiere geschlachtet wurden.» Das hat sich geändert. Meist sind es relativ junge Reittiere, die sich zum Beispiel schwer verletzt haben. Manchmal sind Fohlen unter den Schlachttieren. Bevor Pferdefleisch verarbeitet wird, muss es von der Fleischbeschau freigegeben sein.

Vor Jahrzehnten kam Ross billig auf den Markt. Es galt als Arme-Leute-Essen. Heute kostet ein Kilogramm Braten um die zehn Euro, ein Kilogramm Steakfleisch mindestens 15 Euro - der Preis ist dem von Rind vergleichbar. Die Spezialität ist jedoch schwierig zu bekommen. «Die Metzgereien sind an einer Hand abzählbar», sagt Gero Jentzsch, Sprecher des Fleischer-Verbands. Häufig sitzen die Metzger in Regionen, in denen sich die Verzehrtradition erhalten hat. Schwerpunkt sind laut Jentzsch das Bergische Land um Solingen, Westfalen und Nordhessen. In Norddeutschland, Bayern und Baden-Württemberg gibt es ebenfalls «Pferde-Ecken». Er zieht eine Parallele zwischen dem Genuss von Ross und Wild: «Es ist ein Rohstoff aus der Region, der häufig da verzehrt wird, wo er herkommt».