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Blumen Blumen: Fette Hennen und Mauerpfeffer erleben Renaissance

Von Helga Panten 15.09.2005, 10:05
Beliebte Sorte «Matrona» - die Fette Henne galt im vergangenen Jahrhundert als altmodisch und ist erst seit einigen Jahren wieder auf dem Vormarsch in Gärten und Balkonkästen. (Foto: dpa)
Beliebte Sorte «Matrona» - die Fette Henne galt im vergangenen Jahrhundert als altmodisch und ist erst seit einigen Jahren wieder auf dem Vormarsch in Gärten und Balkonkästen. (Foto: dpa) gms

Bonn/dpa. - Seit Ende des 18. Jahrhunderts war Sedum telephium, die 50 Zentimeter hohe, heimische Art, eine begehrte Gartenpflanze. Später kam das etwas kleinere Sedum spectabile aus Japan und Korea hinzu. Um die Wende zum 20. Jahrhundert jedoch verschwand die robuste Pflanze fast völlig von der Bildfläche. Erst in unserer Zeit werden die Hohen Fetthennen wieder richtig geschätzt.

Beliebt sind die Fetten Hennen auch, weil sie einfach zu vermehren und genügsam sind. Abgeschnittene Stängel bilden oft schon in der Vase Wurzeln - und sie sind zufrieden, solange der Standort nur sonnig und warm ist. Daher machte Sedum spectabile sich sogar im Balkonkasten breit. Nur überdüngte Böden und bedrängende Nachbarn mögen sie nicht, dann fallen sie um.

Im Frühjahr beginnt das Sedum-Jahr mit kleinen Rosetten dicht über der Erde. Bald strecken sie sich zu stattlichen Stängeln, von denen die dickfleischigen Blätter straff abstehen. Je nach Sorte blaugrün, graurot oder rotbraun bilden sie schon ohne Blüten den ruhigen Pol im Staudenbeet. Ab Mitte des Jahres mischen die Blütendolden mit, zunächst ebenfalls noch in zurückhaltendem Grün.

Im Frühsommer kommt Farbe dazu, bis die voll erblühten Pflanzen schließlich zu wahren Magneten für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge werden. Dann summt es rund um die verschiedenen Rosatöne der Sedum spectabile-Sorten wie 'Brillant', 'Carmen' oder 'Meteor', und die Blütendolden der Sedum telephium-Sorten werden umschwärmt. Sie halten meist wärmere Farbtöne bereit wie das Rostrot der 'Herbstfreude' oder das bräunliche Rot der Sorte 'Munstedt Dark Red'.

Den September und Oktober hindurch leuchten die Dolden geradezu. Dann verblühen sie, und die Farben werden stumpfer. Dennoch sollten sie auf keinen Fall abgeschnitten werden. Im winterlichen Garten wirken die trockenen Blütenstände wie Skulpturen. Erst im Frühjahr, wenn sich die Spitzen der winzigen Rosetten zeigen, werden die alten Stängel bis auf den Boden zurück geschnitten.

Neben den mächtigen Gestalten der Hohen Fetthennen bilden die niedrigen Sedum, die auch Mauerpfeffer genannt werden, das Fußvolk. Sie werden 5, 10 oder höchstens 20 Zentimeter hoch. Dabei weben sie dichte Teppiche und formen flache Polster. Vor allem aber sind sie angepasst an extreme Standorte mit wenig Erde, viel Stein, Hitze und Trockenheit. Bei der Dachbegrünung spielen sie die entscheidende Rolle als grüne Decke auf nur wenige Zentimeter starkem Substrat.

Mit Sedum lässt sich in Blatt- wie in Blütenfarben malen. Bronzerot leuchten die fleischigen Blattröllchen des Weißen Mauerpfeffers (Sedum album 'Murale'). Rosa stehen die Blütenstände im Mai und Juni darüber. Schieferblau mit rötlichem Rand sitzen die spateligen Blätter von Sedum cauticolum daneben. Die roten Blüten passen schön zu den kühlen Blattfarben. Teppiche aus strahlend gelben Blütendolden über frischem Grün webt Sedum floriferum 'Weihenstephaner Gold' im Juli und August. Sedum spurium 'Fuldaglut' kombiniert gleichzeitig dunkel-rote Blätter mit rosa Blüten.

Schön ist Mauerpfeffer auch als Bodendecker unter hohen Stauden wie Iris oder Lilien - und zwischen den Wagenspuren der Garagenauffahrt. Im Steingarten und auf Trockenmauern haben sie ihren Platz. Sie fassen Beete ein und quellen aus Töpfen und Schalen. Das ist vielleicht sogar der beste Platz für die Kleinen. Denn dann kommen die unterschiedlichen Formen am besten zur Geltung - winzige dreieckige Blättchen, spitze Nadeln, runde Plättchen, Blattperlchen und Rosetten.

Sogar skurrile Verbänderungen kann man beobachten bei dem selten erhältlichen Sedum reflexum cristata. Dahinter verbirgt sich die fast vergessene Tripmadam aus Urgroßmutters Küche. Frisch säuerlich schmecken die Triebe. Sie passen zu Salaten, Kräutersoßen und -suppen und vertrageb sich gut mit Fisch. In vielen Regionen gehörte die Tripmadam zu den Neunkräutersuppen, die an Gründonnerstag als Gesundheit verheißendes Mahl gegessen wurden.

Schärfer als die Tripmadam schmecken der Weiße Mauerpfeffer (Sedum album) und erst recht der ausbreitungsfreudige Scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre). Ältere Rezepte empfehlen auch ihn als Salatbeigabe. Aber Mediziner warnen davor, denn er enthält Alkaloide. In der Homöopathie wird Sedum acre dagegen nach wie vor gebraucht - als Mittel gegen Hämorrhoiden.