Blinde Wut und Tränen: Mit Gefühlsausbrüchen umgehen
Wuppertal/dpa. - Unter der Klausur steht eine rote Fünf, schon laufen die Tränen - wie von selbst. Vor der Klasse zu heulen, ist vielen Schülern mehr als peinlich. Bei anderen Jugendlichen steigt blitzschnell die Wut auf, sie brüllen herum oder treten gegen Möbel.
Mit solchen Gefühlsausbrüchen ecken sie leicht an. Aber es gibt Strategien, die Emotionen in den Griff zu bekommen. Zum Beispiel die Tränen: «Jeder Mensch hat eine andere Persönlichkeit, manche sind einfach emotionaler», erklärt Miriam Mohr. «Das ist erstmal nichts Negatives», sagt die Psychologin vom Jugendtelefon Nummer gegen Kummer in Wuppertal. Bei Mädchen ist das eher akzeptiert, Jungen hören dagegen oft dumme Sprüche.
Wer immer wieder bei schlechten Noten weinen muss, sollte sich fragen, warum das so ist: «Schäme ich mich vor der Rückmeldung vor der ganzen Klasse, dass meine Leistung mangelhaft war?», fragt Prof. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin. Manche hätten genug Selbstsicherheit, sich zu sagen: «Bei der nächsten Klausur wird es bestimmt besser!» Bei anderen hapere es genau daran: Sie erwarten von vornherein, es nicht hinzubekommen. Dann kann es helfen, sich zu überlegen, was man gut kann, um daraus Kraft zu schöpfen, sagt Mohr.
Probleme können aber auch Jugendliche bekommen, die zu Hause gelernt haben, ihre Gefühle zu zeigen. Und die dafür in der Schule plötzlich ausgelacht werden. «Bei manchen hat sich auch einfach das Umfeld geändert. Die waren in einer Schule, in der über Gefühle gesprochen wurde, sind umgezogen, und jetzt herrscht ein anderes Klima», erklärt Entwicklungspsychologe Scheithauer. Dann bleibe einem nichts anderes übrig, als zu versuchen, sich anzupassen.
Doch was kann man tun, wenn die Tränen fließen? Mohr rät, genau zu beobachten, was vorher passiert. Wird der Hals eng oder kribbeln die Hände? Wer seine Körperreaktionen kennt, kann sich eher wappnen. «Man kann versuchen, tief in den Bauch zu atmen oder sich etwas besonders Schönes vorzustellen.» Das kann die Tränen aufhalten.
Klappt das nicht, wird es schwieriger. «Die Mitschüler sollten sich einmischen. Und einen Sprüche-Klopfer zur Rede stellen», findet Laszlo Pota, Vizepräsident des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Außerdem kann es helfen, erstmal Abstand zu schaffen und zum Beispiel vor dem Klassenraum zu versuchen, sich zu beruhigen, rät Scheithauer.
Auch die Wut lässt sich in den Griff kriegen: Plötzliche Tobsuchtsanfälle sind häufig die Folge aufgestauter Gefühle, erklärt Mohr. «Wut über sich und andere sammelt sich an. Das ist dann wie der Dampfkocher, der plötzlich explodiert.» In diesem Fall helfe Vorsorge: Wer seine Gefühlen rechtzeitig auslebt, verliert seltener die Kontrolle.
Bei plötzlichen Wutanfällen gilt wie bei Tränen: Auf die Gefühle kurz davor achten und versuchen, sich abzulenken. «Wer seine Fäuste ballt, kann versuchen, die Muskeln bewusst zu entspannen», rät Mohr. Tief atmen und bis Zehn zählen helfe ebenfalls, runterzukommen. Laszlo Pota empfiehlt, sich bei einem Freund Hilfe zu holen: Merkt er, dass der Kumpel gleich explodiert, könne er Warnzeichen geben. Steigt die Wut trotzdem, ist es laut Mohr besser, schnell die Klasse zu verlassen, bevor es Ärger gibt - notfalls rausgezerrt vom Freund.
Informationen: Kinder- und Jugendtelefon Nummer gegen Kummer, Telefon: 0800/111 0 333
Nummer gegen Kummer im Internet: www.nummergegenkummer.de
Wer dauerhaft unter seinen Gefühlsausbrüchen leidet und sie nicht in den Griff bekommt, sollte sich Hilfe holen, findet Prof. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin. Die gibt es nicht nur bei den Eltern, sondern auch bei Schulsozialarbeitern und -psychologen sowie Jugendbetreuern. «Auch wer sich schämt, darf nicht den Kopf in den Sand stecken. Schließlich ist man als Jugendlicher kein Kind mehr und damit für seine Zukunft selbst verantwortlich.»