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Berlin Berlin: Computerspiele kommen ins Museum

17.01.2011, 15:35
Ein Mitarbeiter richtet im Computerspielemuseum in Berlin Ausstellungsstücke her. (FOTO: DPA)
Ein Mitarbeiter richtet im Computerspielemuseum in Berlin Ausstellungsstücke her. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Ob Fußballmatch oder Ego-Shooter -Computerspiele gibt es heute praktisch für jedes Handy. Kaumvorstellbar, dass man früher zum Daddeln extra in die Spielhallegehen musste. Aber «Computer Space», der erste Computerspiele-Automat, war mannshoch und nahm viel Platz ein.

Mittlerweile steht das technische Ungetüm aus dem Jahr 1971 imneuen Computerspielemuseum in Berlin. Das wird an diesem Freitag inder Karl-Marx-Allee eröffnet und zeigt «eine der größten Sammlungenweltweit» aus rund 50 Jahren Computerspielgeschichte, wieMuseumsdirektor Andreas Lange sagt. In Deutschland gibt es sonstkeine vergleichbar umfangreiche Schau.

Das ist eigentlich verwunderlich angesichts der Bedeutung, dieComputerspiele seit Jahrzehnten auch hierzulande haben. Schon in den1980er Jahren wuchs kaum ein Kind ohne eigene Spielekonsole auf,heute spielen auch Millionen Erwachsene regelmäßig zum Zeitvertreib.Überall wird gespielt - ob in der U-Bahn, im Wartezimmer beim Arztoder in der Mittagspause am Arbeitsplatz.

Für Direktor Lange war die Erfindung der Computerspiele sogarähnlich bahnbrechend wie die des Buchdrucks oder des Telefons. «Esgab immer wieder kulturelle Revolutionen, die bis heute unser Lebenbestimmen. Computerspiele gehören dazu», sagt Lange, der auch Kuratorder Ausstellung ist.

Ende der 1990er Jahre wurde das Computerspielemuseum schon einmalin Berlin gegründet, damals ein paar Blocks weiter an derJannowitzbrücke. Vier Jahre, von 1997 bis 2000, gab es eine ständigeAusstellung. «Dann wurde geschlossen, der Platz war einfach zuklein», sagt Lange. Dennoch wurde in den Folgejahren permanent weitergesammelt, die unzähligen Exponate kamen zwischenzeitlich in einemLager am östlichen Stadtrand und anderswo unter. Schließlich fandsich in der Karl-Marx-Allee 93 a ein passender Ort für dieWiedereröffnung des Museums.

Zu DDR-Zeiten befand sich in dem Gebäude das Café Warschau. Nunist das Computerspielmuseum eingezogen und unternimmt auf 520Quadratmetern Ausstellungsfläche und anhand Hunderter teilsinteraktiver Exponate einen Streifzug durch die Geschichte der Gamesund Konsolen. Insgesamt umfasst die Sammlung nach Angaben von Langerund 14 000 Spiele, 2300 Hardware-Exponate sowie etwa 10 000 Magazineund Fachzeitschriften.

Als Schirmherr des Museums ließ sich Ralph H. Baer gewinnen, derEnde der 1960er Jahre mit der «Magnavox Odyssee» die weltweit ersteSpielkonsole für daheim entwickelte. Auch eine «Odyssee» istselbstverständlich im Berliner Computerspielemuseum zu bewundern.

Baer wurde 1922 bei Pirmasens geboren, musste wegen seinerjüdischen Abstammung aber in den 1930er Jahren mit seiner Familieemigrieren und zog in die USA. Die später von ihm entwickelte«Odyssee» wurde durchaus ein Renner und verkaufte sich viele tausendMal - auch wenn die Spiele der Konsole nach heutigen Maßstäben rechtprimitiv erscheinen.

Wie rasant sich die Computerspiele dann in den Folgejahrentechnisch weiterentwickelten, beeindruckt auch den «Urvater» derSpielkonsolen. Diese «extrem schnelle Entwicklung» insbesondere imBereich der Grafik habe sich am Anfang niemand vorstellen können,sagt Baer. «Die modernen Spiele spiele ich aber nur, wenn meine Enkelmich besuchen und ihre 'Wii' oder 'Xbox' mitbringen.»

Dass viele Kids heute in ihrer Freizeit nichts anderes mehr machenals stundenlang bei Rollen- oder Actionspielen vor dem Computer zusitzen, wird im Berliner Computerspielemuseum ebenfalls thematisiert.«Abhängigkeit, Gewaltverherrlichung - wir sprechen auch die dunkleSeite an», sagt Direktor Andreas Lange. Computerspiele in all ihrenFacetten besser zu verstehen, das sei die eigentlicheHerausforderung, sagt der 43- Jährige. «Ein vergleichbaresKulturphänomen hat die Menschheit schließlich noch nicht erlebt.»