Berlin als Modemetropole des wahren Lebens
Berlin/dpa. - Bei Boss ist es schon glamouröser zugegangen. Doch die Schnörkellosigkeit, die die Schau von Boss Orange in den Berliner Rathenauhallen prägte, tat der Linie sichtlich gut.
Statt Edel-Location und opulenter Megaparty gab es eine Industriekulisse und ein lockeres Grillen mit Bier und Wurst. Auch der Stimmung tat dies keinen Abbruch: Rund 1200 Gäste, darunter die britische Stilikone Sienna Miller, feierten die Neuausrichtung der Linie unter Designer Eyan Allen, der für Frühjahr/Sommer 2010 gut geschnittene Jeansgarderobe mit einem Touch von Hippielook und Miami-Beach über den Laufsteg schickte. «Ich wollte es entspannt machen», sagte der sportliche Brite nach der Schau.
Ausgewaschene Chino-Hosen, Jeansmäntel und Streifenshirts gab es bei den Männern, fließende Kleider mit Palmen im Computerdruck, Paillettenleggings, lässige Overalls und knappe pinkfarbene Jeansjacken bei den Frauen. «Orange ist die raue, unpolierte Seite von Hugo Boss», meint Claus-Dietrich Lahrs, Vorstandschef des Metzinger Unternehmens. Die einzelnen Linien des Hauses sollten künftig schärfer unterschieden werden. Und Boss Orange sei klar im Freizeitbereich angesiedelt. «Casualwear wächst noch», prophezeite Lahrs. Das Label will er weiter in Berlin zeigen.
Die Berliner Fashion Week (1. bis 5. Juli), die am 3. Juli mit Schauen von Michael Sontag und Penkov weitergeht, steht allgemein hervorragend da. Die Stimmung ist gut, die parallel laufenden Messen Bread & Butter und Premium beleben die Schauen, selbst die Taxifahrer wirken zufrieden.
Geraschelt voll war es auch bei Lala Berlin. Designerin Leyla Piedayesh gilt mittlerweile als Top-Modemacherin: Ihre luftigen Grobstrickmäntel in Beige und Creme, halbtransparenten schwarzen Pullis und zarten Seidenkleider in Pudertönen stehen fast jeder Frau. Ein Kontrast zur soften Grundlinie waren Drucke mit einem Werkzeugkasten-Arsenal von Schrauben und Muttern auf Seide. Zu Quadraten angeordnete Metallpailletten erinnerten an Diodenplatten.
Easy Chic zeigte Strenesse Blue mit einer gelungenen Mischung aus lockeren Dreiviertelhosen in Joggingformen, kurzen Hot Pants mit aufgestickten Perlenpailletten und lässigen seidenen Shirtkleidern. Western und die US-Flagge mit Stars and Stripes dienten als Inspiration, die Eleganz blieb jedoch nicht auf der Strecke. Farben wie Korallenrot und Efeugrün machten Lust auf den Sommer.
Lachsleder als Hingucker Was dem einen die Pailletten, ist dem anderen das Lachsleder. Das ungewöhnliche Material dient den beiden Designerinnen Livia Ximénez- Carrillo und Christine Pluess des jungen Labels Mongrels in Common für die kommende Saison als Hingucker. «Es wirkt wie Schlange, ist aber ökologisch korrekt, weil es ein Abfallprodukt ist», erklärte Christine Pluess. Mongrels in Common mischte Sexyness mit Lässigkeit dank Lederjeans und fliederfarbener Seidenblusen, Hemdkleider in Kieselgrau, Miniröcke und rasanter Korsagen. Die Entwürfe sind auf Figur geschnitten, doch nehmen Raffungen dem Ganzen die Schärfe.
Während bei den anderen Schauen am Bebelplatz deutsche Stars wie Heike Makatsch, Natalia Avelon oder Herbert Knaup fleißig die Ränge füllten, konnte Anja Gockel mit Hollywood-Format auftrumpfen: Schauspielerin Diane Kruger nahm - in kurzen Hosen und hochhackigen Sandalen auf die derzeitige Schwüle eingestellt - bei ihr Platz. Gockels Kollektion setzt auf weiche Formen mit einem Hauch von Glamour. Geraffte Satinkleider, Blusen in Grüntönen und Blousons in Schwarz, Weiß und Silber waren mit Glanz versehen. «The Real Life of Angels» hieß das Motto. «Ich meine die echten Engel des Alltags - die starken Frauen von heute», sagte Gockel.
Damit liegt sie im Trend dieser Schauen, denn Berlin zeigt Entwürfe fürs wahre Leben. Und dieser Realismus ist ein guter Ansatz für Deutschlands neue Modemetropole. In Sachen Komplexität und Raffinesse sollte sie lieber Paris und Mailand das Spielfeld überlassen.
Die Modewoche in Berlin: www.fashion-week-berlin.com