Baumkuchen Baumkuchen: Zehn Schichten über der Walze
Salzwedel/dpa. - In Oskar Hennigs Backstube ist es heiß. Es ist sogar heißer als in anderen modernen Konditoreien. Von denen unterscheidet sich die Erste Salzwedeler Baumkuchenfabrik außerdem durch ihr kleines Sortiment. Denn, wie der Name schon vermuten lässt, wird hier am offenen Feuer ausschließlich Salzwedeler Baumkuchen gebacken. Die Spezialität aus dem Norden Sachsen-Anhalts ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt: "Der Versand macht 80 Prozent aus, und Anfragen kommen unter anderem aus Japan, Australien und Südafrika", erklärt Inhaber Oskar Hennig.
Viele Eier, Butter, verschiedene Mehlsorten und Zucker sind die Zutaten des Salzwedeler Baumkuchens. So ist es Brauch bei Hennig und bei seiner Konkurrenz, zu der die Salzwedeler Baumkuchen GmbH, Milde-Back und die Bäckerei & Konditorei Krüger gehören. Hinzu kommt eine Gewürzmischung, über deren Zusammensetzung sich Oskar Hennig ausschweigt - Betriebsgeheimnis. "Wir haben das Originalrezept und die Schutzmarke", sagt er.
Die komplizierte und für Außenstehende geradezu verworren erscheinende Geschichte des Salzwedeler Baumkuchens reicht zurück zum Anfang des 19. Jahrhunderts: Christian D. Andreas Schernikow hat 1808 den ersten Baumkuchen gebacken. Preußens König Friedrich Wilhelm IV. hat den Kuchen 1840 dann während einer Reise durch die Altmark kennen und schätzen gelernt. Fortan wurde auch der königliche Hof beliefert. <$7>Nach dem Tod von Schernikow senior hat dessen Sohn Andreas Friedrich Joachim das Geschäft übernommen. Nach dessen Tod 1875 wiederum backte Neffe Fritz Gericke weiter nach dem ursprünglichen Rezept.
Im selben Jahr gründete nach Oskar Hennigs Angaben Emil Schwernikow, ein weiterer Neffe, seine eigene Konditorei. Nach Gerickes Tod leitete Konditormeister Fritz Kruse die Geschäfte. In den zwanziger Jahren kaufte er sowohl Gerickes als auch Schernikows Betrieb auf. Schernikow sammelte seine Rezepte im "Conditorei-Buch". Dieses Rezeptbuch gelangte auf zahlreichen Umwegen 1984 zu Konditormeister Oskar Hennig.
Und so stehen Hennigs Konditoren wie die Schernikows vor gemauerten Steinöfen, schöpfen Kelle für Kelle der geheimnisvollen Masse und gießen sie mit gekonntem Schwung auf die sich dicht vor den Flammen drehende Holzwalze. "Die Baumkuchenmasse wird schichtweise abgebacken", erklärt Hennig. Dazu müssen zehn bis zwölf Schichten in gleichmäßigen Abständen aufgetragen werden. Das führt auch zu den charakteristischen Zacken des Baumkuchens.
Nach rund 20 Minuten ist der Backvorgang beendet, und der "Baumkuchen-Rohling" muss auskühlen. "Die meisten Kuchen werden mit einem Guss aus Fondant verkauft", sagt Hennig. Auf Wunsch bekommt man ihn aber auch mit dunkler, Vollmilch- oder weißer Schokolade, mit Marzipanverzierungen oder in überlieferten Formen. In der Regel misst ein Baumkuchen rund 25 Zentimeter im Durchmesser, er ist konisch und erinnert durch sein "knorriges" Äußeres eben an einen Baum.
Ein billiges Vergnügen ist so ein Baumkuchen nicht. Abgerechnet wird nach Gewicht, und ein Kilogramm kostet rund 20 Euro. Wer seinen Baumkuchen - ohne Konservierungsstoffe - nicht binnen weniger Tage aufessen möchte, sollte ihn gleich einfrieren. Sonst gehen der Geschmack und die Saftigkeit eines frischen Exemplars schnell verloren.
Zum Servieren wird Baumkuchen in kleinen Stücken im Kreis herum abgeschnitten. Oskar Hennig empfiehlt, den Kuchen auf dem Teller gegebenenfalls noch mit ein paar Tropfen Cognac oder Himbeergeist zu verfeinern.