Zusatzfunktionen im Dach: Neue Ideen für das Cabrioverdeck
Osnabrück/dpa. - Blech statt Stoff lautete zuletzt meist das Motto der Cabrio-Entwickler bei der Dachkonstruktion. Doch nicht alle machen den Trend zum «Retractable Hardtop» (RHT) mit. Neue Wege gehen sie trotzdem, wie etwa der Cabrio-Spezialist Karmann aus Osnabrück.
Die Vorteile von Blech liegen zwar auf der Hand: In Sekunden wird der offene Wagen zum Coupé mit festem Dach. Das macht ihn winterfester, schützt vor Vandalismus und schlägt sich in günstigeren Versicherungsprämien nieder. Die «Stoffmütze» dagegen ermöglicht eine gefälligere Dachlinie und vermittelt Insassen ein kuscheligeres Cabrio-Gefühl. Neue Ideen könnten nun dem Stoff und auch anderen Materialien helfen, gegenüber Metall Boden gutzumachen.
Ein Beispiel liefert Karmann, der im September auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main ein neues Stoffdachkonzept auf Basis eines VW Polo GTI vorgestellt hat. Im vorderen Teil der sich z-förmig faltenden Konstruktion ist im Stoff ein Glasschiebedach eingelassen. Es sorgt für Licht und Frischluft und lässt sich unabhängig vom Verdeck öffnen. Zudem sind im Dachhimmel vier 80 mal 8,5 Zentimeter große Elektrolumineszenz-Folien eingelassen. Sie sollen bei geschlossenem Dach ein ambientes Licht der Innenbeleuchtung ermöglichen.
Der eigentliche Clou ist allerdings die Heckscheibenkonstruktion: Wird die Klappe geöffnet, fährt die 30 Zentimeter hohe Glasscheibe aus der Dichtung, gleitet über den Verdeckstoff und gibt zusätzliche 30 Zentimeter Platz zum Beladen frei. Diese Funktion lässt sich auch unabhängig von der Kofferraumklappe nutzen, um beispielsweise kleinere Gegenstände einzuladen, ohne den Kofferraum zu öffnen. Bei geschlossener Scheibe schützt ein Rollo den Kofferraum vor neugierigen Blicken und dient zudem als variable Verdeckwanne.
«Mit dem Konzeptfahrzeug zeigen wir, wie auch im Kleinwagen komfortable, alltagstaugliche Lösungen in offenen Autos verwirklicht werden können», sagt Peter Harbig von Karmann. Dabei entschied sich der Hersteller bewusst für Stoff als Material: «Das Stoffverdeck hat wesentliche Vorteile gegenüber dem festen Klappdach.» Als Beispiele nennt Harbig ein geringeres Gewicht, was weniger CO2-Ausstoß bedeute, sowie weniger Platzbedarf für die Verdeckablage. Das wiederum schont das Kofferraumvolumen. Außerdem lasse das Softtop beim Design mehr Gestaltungsspielraum.
Daihatsu entschied sich dagegen bei der Dachkonstruktion für seine Roadster-Studie OFC-1 für das feste Material Polycarbonat, wie Sprecher Ralf Piotraschke in Tönisvorst (Nordrhein-Westfalen) erläutert. Das elektrische Faltdach ist dreigeteilt und hat ein integriertes Glasdach mit einer Sonnenblende aus Flüssigkristall, die sich elektrisch verdunkeln lässt. Durch das Glasdach sollen die Insassen unabhängig vom Wetter das Gefühl haben, unter freiem Himmel zu fahren.
Falls eine Serienfertigung der IAA-Studie, die in Branchenkreisen schon als designierter Nachfolger des Daihatsu-Roadsters Copen gilt, beschlossen wird, dürfte das Polycarbonat-Dach allerdings so nicht in Serie gehen, sagt Piotraschke. Dafür wäre das Material zu teuer. Nicht zuletzt deshalb hat auch der aktuelle Copen ein Alu-Klappdach.
Auf ein weiteres Hightech-Material griff Citroën beim Dach für die IAA-Studie C5 Airscape zurück. Es besteht laut Firmensprecher Thomas Albrecht in Köln aus einem Carbon-Faserverbund. Die festen Klapp-Segmente sind jedoch mit Stoff überzogen - «damit das Ganze einen homogenen Eindruck macht und eine Cabrio-Optik hat». Durch den metallisch-glänzenden Textilbezug ließen sich die Fugen zwischen den einzelnen festen Dachsegmenten von außen nicht mehr erkennen. Sie empfinden viele Cabriofans bei offenen Fahrzeugen mit Metall-Top als störend.
Zusätzlich zum Stoffbezug besitzt das RHT des C5 Airscape eine im vorderen Dachbereich eingelassene Glasfläche. Sie soll ein lichtdurchflutetes Interieur bewirken, lässt sich aber anders als bei der Karmann-Studie nicht öffnen. Sollte sich Citroën zur Serienfertigung der Studie entschließen - was laut Albrecht zurzeit geprüft wird -, dürften aus Kostengründen statt des Carbonmaterials aber herkömmliche Blechteile zum Einsatz kommen. Hässliche Querfugen im Dach muss das nicht bedeuten: Auch herkömmliche Bleche lassen sich laut Albrecht mit Stoff überziehen, um einer schöneren Cabrio-Ästhetik gerecht zu werden.
Nach Einschätzung des Branchenexperten Nick Margetts vom Marktforschungsunternehmen Jato Dynamics in Limburg könnten solche Dachlösungen eine Zukunft haben. «Die Cabriowelt ist eine emotionale Geschichte. Cabrios sollen schön sein - dieser Eindruck kommt bei einem Stahlklappdach nicht unbedingt auf.» Es sei deshalb ein vielversprechender Ansatz der Hersteller, die funktionalen Vorteile der RHTs emotionaler zu verpacken.