VW Golf Cabrio VW Golf Cabrio: Die Geschichte des «Henkelmanns»

HALLE (SAALE)/MZ/DPA. - Ein Raunen ging im Frühjahr 1979 durch die Hallen des Genfer Automobilsalons, als VW den Golf alsCabrio enthüllte. Mit Rücksicht auf Sicherheit und Statik der Karossehatten sich die Ingenieure für einen massiven Überrollbügelentschieden. Er spannte sich auch bei geöffnetem Verdeck über diegesamte Fahrzeugbreite und wirkte auf Puristen der offenen Fahrkulturauf den ersten Blick recht unnütz.
So wurde das Auto schnell zum „Henkelmann“ abgestempelt. Undschnell folgte ein zweiter Spitzname: Weil der Golf damals meist inMarsrot bestellt wurde, machten Spötter das Cabrio kurzerhand zum„Erdbeerkörbchen“. Doch der offene Golf knüpfte an den Erfolg desoffenen Käfers an. Das lag auch am Preis: Mit nicht einmal 18.000Mark war das Cabrio für ein breites Publikum erschwinglich. Und dieMotoren sorgten für viel Fahrspaß: Immerhin gab es den Wagen als GTImit 1,6 Litern Hubraum und 110 PS, der stolze 180 km/hermöglichte. Die GLS-Version schöpfte 70 PS aus einem1,5-Liter-Motor.
Rekord des Käfers eingestellt
Schon zwölf Jahre nach dem Produktionsstart lief bei Entwicklungs-und Produktionspartner Karmann in Osnabrück am 24. Juni 1991 dasExemplar Nummer 331.848 vom Band. Das bedeutete: Der offene Golfhatte den Käfer als meistgebautes Cabrio abgelöst. Und die Produktionging weiter. Klaus Ulrich, der in Osnabrück die mittlerweile von VWaufgekaufte Karmann-Klassik-Sammlung betreut, erinnert sich: „DerGolf I Cabrio lief noch bis April 1993, obwohl es da längst schoneinen Golf II gab. In 14 Jahren kam er so auf fast 400.000 Einheiten.“
Von der zweiten Generation gab es keinen Cabrio-Ableger. Von Ende 1993 bis 2002 noch einmal mehr als 300.000 Golf III mit variablem Verdeck gefertigt. VW bezeichnete ein Facelift zwar als dritte Golf-Cabrio-Generation, tatsächlich wurde dem Golf III an der Front nur die Optik des Golf IV verpasst. Die aktuellen Cabrios in denVW-Schauräumen sind der offene Beetle und der Eos mit Stahlverdeck.All offenen Modelle zusammengezählt, kommt VW auf mehr als 1,4Millionen verkaufte Cabrios – das ist mehr, als die meisten anderenAutomobilhersteller vorweisen können.
Handarbeit bei der ersten Generation
Beim neuen Golf Cabrio genügt ein Knopfdruck - und schon öffnetdas Verdeck. Beim Original hingegen ist das Prozedere komplizierter:Die Stoffmütze muss noch von Hand zusammen gelegt werden. Zwei großeKlapphaken halten das Dach am Scheibenrahmen fest. Sind sie gelöst,faltet man es nach hinten über den 220 Liter großen Kofferraum undzieht darüber noch eine Persenning. „Die war zwar technisch nichtnötig, wurde aber vom Gesetzgeber vorgeschrieben, damit sich niemandam Gestänge verletzt“, sagt Ulrich.
Um die Schützhülle vollständig fest zu knüpfen, musste man damalssogar die Rückenlehne aushaken - genau wie beim Schließen. DenSiegeszug des von der Werbung zum „luftgekühlten Golf“ benanntenCabrios konnte diese aufwendige Mechanik aber nicht stoppen - zumalsich die Konkurrenten kaum schneller entblätterten. Die waren damalsübrigens dieselben wie heute: Opel und Ford. Vor 30 Jahren hießen dieModelle der Konkurrenz Kadett und Escort, heute Astra und Focus.Beide Herausforderer wurden nach dem VW eingeführt und haben dessenKarosseriekonstruktion übernommen: Auch sie fuhren mit Henkel. In derStatistik konnten sie den Golf aber nicht überholen.
Noch ist der Golf I günstig
18 Jahre nach dem Produktionsende für den ersten offenen Golf gibtes allein in deutschen Garagen noch immer rund 30.000 bis 40.000Fahrzeuge, schätzt der Wolfsburger Jörn Schwieger von der 1. OriginalGolf I Interessengemeinschaft. Deshalb sei das Cabrio auch heute nochvergleichsweise leicht und günstig zu bekommen, auch wenn die Preiseihre Talsohle mittlerweile durchschritten hätten. „Für 2000 bis 3000Euro bekommt man ein solides Auto mit 150.000 bis 200.000Kilometern“, taxiert der Experte den Marktpreis. Möglich seiallerdings, dass mit der Neuauflage auch das Interesse am Originalsteigt - und damit dessen Preis.
Der Neue kommt nunmehr ohne den sprichwörtlichen Henkel aus. Damitschließt sich gewissermaßen ein historischer Kreis zu den Prototypenvon 1976. „Denn ganz zu Anfang war schon das erste Golf Cabrio ohneden Henkel geplant“, sagt Karmann-Kenner Ulrich. Dass jedoch diePläne damals nicht in die Serie übernommen wurden, wirkt noch heutenach: Denn dem Überrollbügel sei es zu verdanken, dass selbstGebrauchte mit über 20 Jahren und mehr als 150.000 Kilometern auf demBuckel noch in vergleichsweise gutem Zustand seien, sagt Ulrich: „Derhat die Karosserie über die Jahre entlastet und so buchstäblich dasganze Auto zusammen gehalten.“