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Technik Technik: Doppelte Ladung

Von Felix Rehwald 09.04.2004, 08:57
Flexible Kombination - bei der Twinturbo-Technik wird die Verdichtung der Luft mit steigender Drehzahl immer stärker vom größeren der beiden Turbolader ausgeführt (Foto: dpa)
Flexible Kombination - bei der Twinturbo-Technik wird die Verdichtung der Luft mit steigender Drehzahl immer stärker vom größeren der beiden Turbolader ausgeführt (Foto: dpa) BMW

München/Rüsselsheim/dpa. - Turbolader verhalfen Dieselmotoren einst zu einem besseren Image. Zwar galten Selbstzünder schon immer als zuverlässig - aber auch als etwas träge, was die Beschleunigung angeht. Die «Druckbeatmung» - Ende der siebziger Jahre erstmals in einem Diesel eingesetzt - machte sie immerhin so flott, dass sie mit manchem Benziner mithalten konnten. Sportwagenähnliche Sprints waren aber auch mit einem Turbodiesel bislang nicht möglich. Das könnte sich in Zukunft ändern, denn zwei Hersteller haben die Turbo-Technik für Diesel nun mit einem neuen Verdichtungsprinzip verbessert.

BMW nennt es Stufen- und Opel Registeraufladung. Beides steht jedoch für ein im Ansatz gleiches Verfahren: Statt wie bisher von einem Abgasturbolader wird die Ansaugluft von zwei hintereinander liegenden und miteinander kombinierten Ladern verdichtet. Dadurch sollen sich nach Aussagen beider Hersteller eine höhere Leistung und ein spontaneres Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen ergeben.

Daran haperte es bislang beim Turbodiesel herkömmlicher Bauart, bei dem die Ansaugluft von einem Verdichterrad komprimiert in die Brennräume geleitet wird, wie der TÜV Nord in Hannover erläutert. Das Verdichterrad sitzt auf einer gemeinsamen Welle mit einem Turbinenrad, das von den Motorabgasen angetrieben wird. Da das Turbinenrad zunächst selbst auf Touren kommen muss - wozu wiederum ein gewisser Abgasstrom erforderlich ist - sprechen herkömmliche Abgasturbolader laut TÜV beim Gas geben mit leichter Verzögerung an.

Neben dieser als «Turboloch» bezeichneten Anfahrschwäche haben herkömmliche Turbolader nach Angaben von BMW-Sprecher Alfred Broede in München den weiteren Nachteil, dass sie eine Kompromisslösung darstellen: Sie müssen für niedrige wie für hohe Drehzahlen ausgelegt sein. Allerdings wäre für niedrige Drehzahlen ein möglichst kleiner Lader ideal, bei hohen Drehzahlen ein möglichst großer.

Diesen «Zielkonflikt» glaubt BMW mit seiner «Variable Twin Turbo»-Technologie gelöst zu haben, die im Herbst im neuen 535d der 5er-Baureihe auf den Markt kommen wird. Dabei sind ein großer und ein kleiner Lader hintereinander geschaltet und mit Steuerklappen flexibel kombiniert. Bei niedrigen Drehzahlen wird laut Erwin Rechberger, Projektleiter für Sechszylinder-Dieselmotoren, die Ansaugluft im großen Lader vor- und im kleinen Lader hochverdichtet. Der kleine Lader erledige dabei die Hauptarbeit. Mit steigender Drehzahl erfolge die Verdichtung zunehmend nur über den großen Lader.

Die Folge ist laut Rechberger ein spontaneres Ansprechverhalten. Im Vergleich zu herkömmlichen Turboladern baue sich der Ladedruck viel schneller auf. Das liegt laut Gerd Hitzler, Bereichsleiter für Abgasanalytik am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen der Universität Stuttgart, an der Kombination des kleinen mit dem großen Lader: «Ein kleiner Lader mit kleinen Luftschaufeln kommt schneller auf eine hohe Drehzahl.» Der große Lader könne wiederum bei höheren Motordrehzahlen einen größeren Luftdurchsatz gewährleisten.

Diese Eigenschaften habe man bislang in so genannten VTG-Ladern auszunutzen versucht, so Hitzler. Diese Lader besäßen eine variable Turbinengeometrie: In Abhängigkeit von Motordrehzahl und Abgasstrom werde die Stellung der Luftschaufeln verändert. «Die Technik ist aber nicht optimal. Es gibt immer einen Lader mit fester Geometrie, der besser ist», so der Experte. Außerdem erfordere ein VTG-Lader eine aufwendige Steuermechanik - noch dazu in einem kritischen Bereich mit sehr heißen Temperaturen. «Das ist störungsanfällig», so Hitzler.

Da beim Twin-Turbo hingegen beide Lader optimal für einen Drehzahlbereich ausgelegt werden können, ergibt sich BMW-Sprecher Broede zufolge ein besserer Wirkungsgrad: «Mit einem Sechszylinder realisieren wir die Leistung eines Achtzylinders.» So schöpft der Twin-Turbo aus dem 3,0 Liter großen Basistriebwerk des 530d bei unverändertem Hubraum nun 200 kW/272 PS. Das entspricht einer Leistungssteigerung um 40 kW/54 PS. Das maximale Drehmoment beträgt 560 Newtonmeter (Nm), wovon bereits 500 Nm bei 1500 Umdrehungen pro Minute anliegen. Die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 absolviert der 535d in 6,6 Sekunden.

Noch eindrucksvoller sind die Werte, die Opel mit seiner vom Prinzip her ähnlichen Registeraufladung im OPC Vectra GTS Twinturbo erzielt: Aus nur 1,9 Litern Hubraum schöpft das Aggregat der Studie 156 kW/212 PS. Das entspricht nach Angaben des Herstellers in Rüsselsheim einer spezifischen Leistung von 82 kW/112 PS pro Liter Hubraum - das sei neuer Weltrekord für Diesel-Pkw. Das maximale Drehmoment beträgt 400 Nm und liegt bei 1400 Umdrehungen an.

Opel habe zeigen wollen, welch sportlichen Leistungen mit einem Diesel möglich sind, sagt Projektleiter Donatus Wichelhaus. Es seien aber auch andere Auslegungen denkbar - etwa mit dem Schwerpunkt auf Verbrauchsreduzierung. Dabei werde diese ohnehin quasi nebenbei erreicht: Da das Basistriebwerk ein eher kleiner Motor ist, ergebe sich ein «immenser» Gewichts- und Verbrauchsvorteil, so Wichelhaus. So könne gegenüber gleich starken Motoren mit herkömmlicher Technik ein Liter Hubraum eingespart werden. Trotz seiner hohen Leistung verbrauche der Motor nur 6,0 Liter Diesel pro 100 Kilometer.

Experte Hitzler sieht einen Vorteil der Doppelturbotechnik in Dieseln auch in besseren Abgaswerten: Da in jedem Drehzahlbereich genügend Luft für eine optimale Verbrennung zur Verfügung stehe, ließen sich etwa die Emissionen von Rußpartikeln verringern.

Derzeit befindet sich die Twinturbo-Technik bei Opel in der Langzeiterprobung. Nach Werksangaben könnten im Jahr 2005 erste Serienmotoren erhältlich sein. Ihre Praxistauglichkeit hat die BMW-Technik schon bewiesen: Im «Undercover-Test» seien zwei mit «Variable Twin Turbo» ausgestattete X5-Geländewagen bei der Rallye Dakar mitgefahren, sagt BMW-Sprecher Alfred Broede: Sie kamen im Gesamtklassement auf Platz zwei und holten zwei Etappensiege.

Erfolgreicher Probeeinsatz - BMW testete die Twinturbo-Technik für Dieselmotoren in zwei X5-Geländewagen bei der Dakar Rallye 2004 (Foto: dpa)
Erfolgreicher Probeeinsatz - BMW testete die Twinturbo-Technik für Dieselmotoren in zwei X5-Geländewagen bei der Dakar Rallye 2004 (Foto: dpa)
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